In der Diskussion um fehlerhafte Asylbescheide stellt sich Kanzlerin Angela Merkel hinter ihren Innenminister. Derweil steigt die Kritik an den Bescheiden, die eine Ablehnung zur Folge haben.

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in der Affäre um das Bundesamt für Migration (Bamf) hinter Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gestellt. Der Minister habe „die volle politische Unterstützung“ der Kanzlerin, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Sie unterstütze die Aufklärungsarbeit Seehofers „komplett“.

 

Seehofer muss am heutigen Dienstag vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages Rede und Antwort stehen. Er kündigte für die kommende Woche die Vorlage eines seit längerem erwarteten „Masterplans“ zur Asylpolitik an. Es wird erwartet, dass darin auch Maßnahmen zu einer umfangreichen Umstrukturierung der Arbeit des Bamf enthalten sein werden. Ob die Behördenchefin Jutta Cordt abgelöst werden soll, hat Seehofer im Vorfeld der Ausschuss-Sitzung offen gelassen.

Zu Wochenbeginn macht die SPD den Versuch, die Affäre auch näher an die Bundeskanzlerin selbst heranzurücken. „Merkel drückt sich vor ihrer eigenen Verantwortung“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner. „Sie schweigt, tut nichts und will den Kontrollverlust im Bamf aussitzen.“ Ins Zentrum der Debatte rückte am Montag aber nicht nur die in Bremen auffällig häufig ausgestellten positiven Asylbescheide, sondern auch das Gegenteil: die Tatsache, dass das Bamf viele ablehnende Entscheide trifft, die vor Gerichten nicht standhalten. In den Blickpunkt rückt dabei das Thema der Rechtsberatung von Flüchtlingen.

Zu wenig unabhängiges Beratungspersonal

In die Diskussion hat sich gestern der Präsident des Deutschen Caritas-Verbandes, Prälat Peter Neher, eingeschaltet. „Ob das Ziel erreicht werden kann, Asylverfahren durch die geplanten Ankerzentren zu beschleunigen und gleichzeitig ein faires Verfahren zu gestalten, bezweifeln wir“, sagte Neher. Er kritisierte, dass „aktuell Rechtsanwälte zu Beratungszwecken teilweise die Unterkünfte der Aufnahmeeinrichtungen nicht betreten dürfen“. Es gebe „in den Unterkünften im Moment nicht genügend unabhängiges Beratungspersonal und zu wenig Zeit, die Menschen in ihren Verfahren zu beraten“.

Brisanz erhält die Kritik durch einen internen Bericht des Bamf, der zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Der Bericht, der unserer Zeitung vorliegt, ist dem Bundesinnenministerium seit Monaten bekannt, wird von ihm aber nicht öffentlich gemacht. Auch die Abgeordneten erhalten ihn nicht. In dem Entwurf des „Evaluationsberichtes zum Pilotprojekt Asylverfahrensberatung“ vom 7. September 2017 heißt es unter dem Kapitel „Zentrale Erkenntnisse“: „Die Evaluation kommt zum Ergebnis, dass grundsätzlich ein hoher Informations- und Beratungsmangel vonseiten der Asylsuchenden besteht. Die allgemeinen Informationen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind nicht ausreichend, da die Asylsuchenden sie häufig nicht erfassen beziehungsweise auf ihre individuellen Umstände anwenden können.“

Bericht mit Unterstützung der UN

Der Bericht, der im Zusammenarbeit mit den UN-Hochkommissar für Flüchtlingsfragen entstanden ist, untersuchte ein Pilotprojekt des Bamf in den drei zentralen Ankunftszentren Bonn, Gießen und Lebach. Dort wurde in Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden von März bis Mai 2017 modellhaft ein Pilotprojekt „Asylverfahrensberatung“ ins Leben gerufen. „Das Pilotprojekt verfolgte das Ziel, durch eine unabhängige, fachlich qualifizierte und individuelle Asylverfahrensberatung die Rechtsstaatlichkeit und Fairness, Qualität und Effizient des Asylverfahrens zu verbessern.“ Der Bericht empfiehlt, „dass möglichst alle neuankommenden Asylsuchenden frühzeitig Zugang zur Information und Beratung im Asylverfahren erhalten.“

Auffallend ist, dass die Bundesregierung den Bericht mit spitzen Fingern anfasst. In einer kleine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg wurden 15 Auskünfte zum Bericht erbeten. Die Bundesregierung antwortete am 20. Februar auf alle 15 Fragen zusammenfassend mit einer dreizeiligen Antwort: „Der Bericht wurde dem Bundesministerium des Innern zur Prüfung vorgelegt. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.“ Ein Vierteljahr später ist sie das offenbar immer noch nicht, denn mit Hinweis auf „einen laufenden Vorgang“ wird eine Herausgabe des Berichts weiter verweigert.