Das Krebsforschungsinstitut IARC stuft den Unkrautvernichter Glyphosat als wahrscheinlich Krebs erregend ein, das deutsche Bundesinstitut BfR war zu einem anderen Schluss gekommen. Nun hat das BfR auf das IARC reagiert – veröffentlicht seine Stellungnahme aber nicht.

Stuttgart - Seit Monaten tobt ein Streit zwischen den Experten: Löst das Herbizid Glyphosat beim Menschen Krebs aus? Im März verkündete die Krebsforschungsagentur IARC, eine Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation WHO, das Pflanzenschutzmittel sei wahrscheinlich Krebs erregend. Gleichzeitig muss sich eine deutsche Behörde mit Glyphosat auseinandersetzen: Das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat ebenfalls die Aufgabe, das Pflanzenschutzmittel zu bewerten, da die Zulassung in Europa nach zehn Jahren ausläuft. Die EU hat Deutschland federführend mit der Bewertung beauftragt. Das BfR meldete an die zuständige Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa), dass „nach Prüfung aller bislang vorliegenden Studien nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein Krebs erzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist“.

 

Zwei Meinungen, die auf ähnlichen Studien beruhen. Das BfR hat nun die Daten der IARC gesichtet und das Ergebnis der Efsa weitergeleitet – bisher allerdings ohne weitere Angaben zu diesem Bericht. Nun ist es Sache der Efsa, das Pflanzenschutzmittel neu zu bewerten. Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate. Es hemmt ein für die Pflanze lebenswichtiges Enzym, so dass diese abstirbt. Weil Menschen und Tiere dieses Enzym nicht haben, hielt man Glyphosat lange Zeit für unschädlich.

Kritiker werfen dem BfR vor, sich auf industrienahe Studien zu stützen. So haben sich etwa 5000 Ärzte in einer Unterschriftenliste zusammengetan: „Um die Bürgerinnen und Bürger vor unnötigen Krebserkrankungen zu schützen, muss Glyphosat verboten werden“, sagte federführend der Aachener Internist Jan Salzmann. Das IARC genieße höchste Anerkennung, man müsse die Warnung ernst nehmen. Die Studien, auf die sich das BfR berufe, stützten sich auf Studien von Herstellerfirmen.

Bei Glyphosat in der Muttermilch entwarnt das BfR

Auch das Münchner Umweltinstitut, ein unabhängiger Verein, der sich unter anderem für den ökologischen Landbau einsetzt, argumentiert in diese Richtung: Das BfR habe „Leserbriefe“ an Fachzeitschriften als Studien beurteilt. „Nein“, sagt das BfR. „Unter den mehr als 1000 Quellen, die das BfR ausgewertet hat, waren 25 ‚Letters to the Editor‘ aufgelistet.“ Diese „Letters to the Editor“ habe man aufgeführt, „um die Vielfalt der Meinungen angemessen zu berücksichtigen und zu dokumentieren, sie spielten bei der eigentlichen Risikobewertung des BfR jedoch keine Rolle“. „Letters to the editor“ dienten der Kommunikation zwischen dem Autor eines Artikels und der Leserschaft einer Fachzeitschrift.

Auch bei der WHO konnte eine Forschergruppe keine ausreichenden Hinweise für das Krebsrisiko finden. Daher wurde bei der WHO nun eine Expertengruppe gegründet, die diese Differenzen klären soll.

Schockierend war vor einigen Wochen die Nachricht, dass Glyphosat in der Muttermilch gefunden wurde. Die Stichproben waren klein: In den USA waren es zehn, in Deutschland 16 Proben. Das BfR sagt dazu, dass die Messwerte weit unterhalb des gesundheitlich bedenklichen Bereichs lägen. Bisher hätten Studien ergeben, dass sich Glyphosat nicht im menschlichen Organismus anreichere. Unklar sei zudem, ob die Analysemethoden für Muttermilch die richtigen gewesen seien.

Glyphosat wird auch in Deutschland versprüht

Glyphosat ist das weltweit meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel. Besser bekannt ist es unter seinem Handelsnamen Roundup, und dabei denkt man fast schon automatisch an große Felder und Gentechnik auf dem Acker. Gentechnik gibt es auf deutschen Feldern nicht. Doch das Totalherbizid wird auch hierzulande häufig eingesetzt. Jeder Hobbygärtner kann es kaufen, um seinen Gartenweg penibel rein von störendem Unkraut zu halten.

Nicht immer ist Unkraut das Ziel: Das Herbizid wird auch eingesetzt, um einzelne, noch grüne Getreidehalme vertrocknen zu lassen. Solche Nachzügler werden Zwiewuchs genannt. Die Getreidepflanze hat verspätet neue Seitentriebe gebildet, die Körner dieser Ähren wären zur Ernte noch grün. Doch mit einer Herbizidbehandlung kurz vor der Ernte kann das Korn trockener eingefahren werden – zusätzliche Arbeit und Energiekosten entfallen.

Glyphosat ist in der landwirtschaftlichen Gentechnik unersetzlich. Die veränderten Nutzpflanzen sind immun gegen dieses Herbizid, während das unerwünschte Unkraut abstirbt. So wollte man effektiver spritzen und manch einen Gifteinsatz sparen. Inzwischen hat sich gezeigt, dass diverse Unkräuter resistent geworden sind. Somit muss jetzt wieder mehr gespritzt werden, und zwar mit zusätzlicher Chemie.