Die Stadt hat 335 Flüchtlinge untergebracht. Nun werden Wohnungen für die Zeit gesucht, in der die Menschen hierzulande heimisch werden wollen.

Gerlingen - Die Stimmung ist sachlich, wohlwollend und unaufgeregt – in der Gerlinger Stadthalle bei der Einwohnerinformation wie in der Stadt generell seit dem Spätherbst 2014. Seither nehmen die Kommunen Flüchtlinge auf – am Anfang bedurfte es dazu noch der Brandbriefe des Landrates. Am Donnerstag hat die Gerlinger Verwaltung über die Situation der 335 Flüchtlinge informiert, die mittlerweile in der Stadt leben. Dabei bat der Bürgermeister Georg Brenner die Haus- und Wohnungsbesitzer in der Stadt, leer stehende Wohnungen zu vermieten. Viele Flüchtlinge wollten hier heimisch werden.

 

Es war eine von Fakten dominierte Versammlung – in der das Wort „Flüchtling“ ein Gesicht bekam. Wer noch nie Menschen aus dem nahen oder mittleren Osten zu Gesicht bekam, die seit Monaten hierzulande Sicherheit und Geborgenheit für sich und ihre Familien suchen – der sah sie bei der Versammlung. Einige von ihnen stellten sich dem Publikum vor, mit Unterstützung von Mitgliedern des Freundeskreises Asyl. Und sie sprachen mutig und offen zu den 120 Besuchern.

Arbeit im Autohaus gefunden

So erzählte der Familienvater Nashuan Y., wie seine Frau Nadia und seine vier Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren aus dem Nordirak nach Deutschland kamen. Weil sie der ethnischen Minderheit der Shabak angehörten, seien sie verfolgt, ihr Haus zerstört und die Familie zur Flucht gezwungen gewesen. Die Ehefrau konnte die Rührung nicht verbergen, als ihr Mann berichtete, dass sie das jüngste Kind von sieben Monaten vor gut einem halben Jahr bei den Großeltern zurücklassen mussten. Auch ein Flüchtlingslager mussten sie Hals über Kopf verlassen. Der Vater ist sehr froh, dass er in einem Gerlinger Autohaus Arbeit fand – was spontanen Beifall im Publikum auslöste. Und beide Eltern besuchen einen Deutschkurs. Zwei Brüder aus dem Irak, Salwan (19) und Amire (13), sind ohne die Eltern in Gerlingen. Der Jüngere besucht eine Vorbereitungsklasse, der Ältere den Deutschunterricht der Volkshochschule. Er konnte seine Vorstellung schon auf Deutsch halten – Applaus aus dem Saal.

„Eine bewegende Abrundung der Information“ sei das gewesen, meinte Georg Brenner. Mit dem Satz „wir haben es geschafft“ hatte er zu Beginn allen Beteiligten, ob in Verwaltung oder als Ehrenamtliche, für ihr Engagement bei der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge gedankt. „Wir schaffen es aber nicht“, so der Bürgermeister am Ende, „ohne die Unterstützung aus der Bevölkerung.“ Man brauche Raum für die Menschen, die hier sesshaft werden wollten. Denn Wohnungen seien knapp. Die Verwaltung nehme Meldungen über leer stehende Wohnungen gerne entgegen und vermittele.

Drei Vorbereitungsklassen an Schulen

Zuvor hatte die Erste Beigeordnete Martina Koch-Haßdenteufel berichtet, dass 335 Menschen aus 15 Nationen, darunter 130 Kinder und Jugendliche, in Gerlingen untergebracht sind. Gut 20 Plätze sind noch frei, ein weiteres Haus für 35 Menschen wird gebaut. Sozialarbeiter der Stadt und des Landkreises berichteten über die Betreuung der Menschen in den Unterkünften, für schulpflichtige Kinder gebe es drei Vorbereitungsklassen in Grundschulen und der Realschule. Frank Reiser vom Ditzinger Polizeirevier sagte, es seien nur einige wenige Straftaten bekannt, ab und an müsse ein Streit geschlichtet oder wegen Ruhestörung eingeschritten werden.

„Wir brauchen Hilfe“, sagte Helga Frommholz vom Freundeskreis Asyl – im Lager für Sachspenden, in der geplanten Fahrradwerkstatt, bei Deutschkursen. Denn auch dafür engagieren sich die Ehrenamtlichen – weil es für die 2016 Aufgenommenen noch keine „offiziellen“ Kurse gebe. „Wir brauchen viel Geduld.“