Der Ludwigsburger Stefan Lindner wird Pilzsachverständiger. Wir haben ihm im Rielingshäuser Hardtwald über die Schulter geschaut.

Feucht ist es an diesem Tag. Wassertropfen benetzen Äste und Blätter im Hardtwald bei Rielingshausen. Aber es regnet nicht mehr an diesem Samstagmittag. Ideale Bedingungen für Stefan Lindner, der mit Messer, Schälchen und einem Korb ohne Eile Ausschau hält. Nur wenige Meter vom Wanderparkplatz am Frühmeßhof entfernt, eröffnet sich dem Pilzkenner eine Welt voller Vielfalt und Eigenheiten. „Ich kann beim Sammeln völlig abschalten“, sagt der Elektroingenieur aus Ludwigsburg. Trotzdem schwinge immer die Frage mit: Ist der Fund giftig oder genießbar?

 

Die meisten Zeitgenossen schrecken vor dem Pilzesammeln zurück. Zu hoch erscheint ihnen das Risiko, sich durch einen Fehlgriff den Magen zu verderben oder gar ums Leben zu kommen. Ein älterer Passant im Wald begegnet Lindner, hält einen riesigen Steinpilz in der Hand und erzählt von einem Pilz, vor dem er andere nur warnen könne: „Da hat’s mich saumäßig gedrückt in der Nacht – ich dachte wirklich, ich sterb’.“ Lindner, seit 2015 Mitglied bei den Pilzfreunden Stuttgart und dort Schriftführer, fragt nach bestimmten Merkmalen, rötlichen Poren. „Es könnte ein Satansröhrling sein“, vermutet Lindner.

Auf Apps ist kein Verlass, sagen die Pilzexperten

In Zeiten, in denen mit Apps, Pilze bestimmt werden können, rät Stefan Lindner trotzdem dazu, auf Nummer sicher zu gehen. „Wenn man sich nicht sicher ist, sollte man einen Pilzsachverständigen zurateziehen.“ Genau das will der 47-Jährige selbst werden und büffelt nun im Selbststudium für eine Prüfung, die von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) anerkannt wird. Praktische Erfahrung sammele er, wenn Kollegen in der Stuttgarter Markthalle immer montags von 16.30 bis 18 Uhr Körbe von Sammlern entgegennehmen, diese beraten und ihre Giftpilze aussortieren. Schließlich gehört das Untersuchen eines Pilzkorbs auch als praktischer Teil zur Prüfung.

Der Rundgang im Rielingshäuser Wald beginnt für Stefan Lindner mit einem ergiebigem Fund in der Nähe eines abgestorbenen Nadelbaums. „Das sind mit Sicherheit Hallimasche – die kommen gerade sehr häufig vor“, sagt der Sammler, als er im Gehölz die Ansammlung von Pilzen mit honiggelben Hüten entdeckt. „Er trägt am Stil häufig einen wattigen Ring“, erklärt Lindner. Der Pilz wachse häufig an faulem oder totem Holz. Als Mischwald biete der Hardtwald eine breite Palette an Pilzarten. Manche wachsen stärker in Nadelwäldern, andere eher in der Nähe von Laubbäumen.

Nach dem Sammeln sollte man sich gut die Hände waschen

Mit seinem Messer schneidet Lindner einige Hallimasche ab und legt sie in seinen Korb. Für Pilze, die er nicht kennt, hat er gesonderte Schälchen dabei. „Man muss mögliche Giftpilze separieren, sonst könnten sie sich im Korb verbreiten.“ Bei einer Ansammlung von goldgelblichen Pilzen mit Hüten ist der Schriftführer der Pilzfreunde Stuttgart später überfragt: „Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie – aber wenn man sich nicht auskennt, wird der Pilz nicht freigegeben.“ Pilzmoleküle sind laut Lindner übrigens zu groß, um über die Haut in den menschlichen Organismus zu dringen. Man sollte sich aber trotzdem nach dem Sammeln gut die Hände waschen.

Zu seinem Hobby kam Stefan Linder schon als Kind. In der Altmark sei er mit den Eltern immer in den Wald gegangen. „Es ist eine spannende Welt – der Pilz wächst ja unterirdisch: Was zum Vorschein kommt, ist nur der Fruchtkörper“, erzählt der Single, der gerne wandert und reist und die Mischung aus Naturschutz, Fortbildung und Gemeinschaft bei den Pilzfreunden schätzt. Er mikroskopiere auch gern, dies helfe beim Bestimmen. Anfängern rät er, zunächst mal eine der Pilzführungen mitzumachen oder eine Sammlung mit einem Pilzcoach zu unternehmen. Denn selbst wenn man bei Steinpilzen, Maronen oder Hexenröhrlingen sicher sei, so drohten dennoch Vergiftungen, wenn das Eiweiß in den Pilzen schon zu alt sei.

Gerüche spielen beim Bestimmen der Pilze eine wichtige Rolle

Eine wichtige Rolle beim Bestimmen spielen auch Gerüche. Lindner hebt einen kleinen Pilz hoch und schnuppert. „Ein Anis-Trichterling, der wäre auch essbar“, sagt er. Der Schirm des Pilzes wirkt schleimig, aber das sei nach Regen normal. Kurze Zeit später duftet ein Pilz nach Knoblauch, es ist der Saitenstielige Knoblauchschwindling, und von ihm sei nur der Stiel als Pulver in kleinen Mengen genießbar, was man vom Rettichhelmling nicht behaupten könne: der duftet zwar wunderbar nach Radieschen, sollte aber besser nicht verspeist werden. Übrigens: Die Pilze, die Lindner nicht mitnimmt, wirft er zurück in den Wald, „die können dann wieder aussporen“.