Der Beilsteiner Metall-Restaurator Martial Herbst hat Besuch von einem kupfernen Kirchendach-Löwen aus dem Stuttgarter Süden bekommen. Den gilt es nun zu reparieren. Ein Auftrag ganz nach Herbsts Geschmack.

Noch ist kein Handgriff gemacht. Der kupferne Gast von Kunstschmied und Restaurator Martial Herbst ist erst frisch in der Werkstatt des Schmiedemeisters angekommen, wo er seit 2001 in Beilstein-Maad aktiv ist. Nur der imposante Kopf des eindrucksvollen Metalltieres, das normalerweise das Dach der Markuskirche im Stuttgarter Süden ziert, liegt, bereits vom Korpus getrennt, einen Meter entfernt auf einem Tisch. „Der Kupferkopf wurde vermutlich über Holz getrieben und dann zusammen genietet“, erklärt Martial Herbst. Auch über den Körper des Tiers verteilt sieht man die Nietverbindungen, die alles stabil halten.

 

Durch den fehlenden Kopf wird der Blick ins Innere des sogenannten Markuslöwen frei, der mit seinen zwei Flügeln nicht nur den Evangelisten Markus symbolisiert, sondern auch das Wahrzeichen von Venedig ist. Dass es sich bei dem grünstichigen Patienten, dessen kupferne Oberfläche durch Verwitterungs- und Korrosionsprozesse über die Jahre hinweg in ein Blaugrün verwandelt worden ist, um ein außergewöhnliches Kunstwerk handelt, wird selbst dem Laien klar. „Die haben damals richtig viel geleistet und das war mit großem Können verbunden“, erklärt Herbst wertschätzend und nennt auch den Namen des Bildhauers und Medailleurs: Hermann Lang. „Das Ausgangsmaterial waren dünne Kupferbleche, die von ihm kunstfertig zu diesem Volumen verarbeitet wurden. Wenn ich mir diese Leistung anschaue, bin ich einfach nur fasziniert“, sagt Martial Herbst respektvoll, während er ehrfürchtig auf den in die Jahre gekommenen Löwen blickt. Dieser verleiht der Markuskirche, die zwischen 1906 und 1908 erbaut wurde, das charakteristische Etwas: hoch oben in dreißig Metern Höhe thront er normalerweise.

Stolz thront der Löwe auf dem Dach der Markuskirche im Stuttgarter Süden. Aktuell muss das Gotteshaus ohne seinen Gast auskommen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Schmiedemeister Herbst reizt das Archaische wie das Kreative und Feinsinnige an seinem Handwerksberuf. Manchmal schwingt er kräftig den schweren Hammer, um dem unnachgiebig wirkenden Werkstoff seinen Willen aufzuzwingen. Doch beim Anblick des von den Naturkräften gebeutelten Löwen dürfte jedem klar sein, dass hier auch andere Qualitäten erforderlich sind.

Der Kirchendach-Löwe ist von den Naturgewalten gebeutelt

Herbst hat deshalb 2023 die Zusatzqualifikation zum Restaurator im Metallhandwerk abgeschlossen und freut sich sehr über den aktuellen Auftrag: Er wird dem 2,4 Meter langen Löwen mit einer Spannweite von 1,90 Metern für weitere zwei, drei Jahrzehnte Stabilität und die Fähigkeit zum Überdauern mitgeben. „Es hängt natürlich auch davon ab, wie viele Unwetter und Wirbelstürme über ihn hinwegfegen werden“, wirft Herbst ein und demonstriert mit dem Griff an einen wackeligen Flügel die Anfälligkeit des Materials. Der rechte Flügel zeigt zudem Risse. „Die müssen bei entsprechender Wetterlage tüchtig gewackelt haben. Vermutlich hatten die Leute Angst, dass er runterfällt“.

Dem Körper des Löwen hat nicht nur die Witterung zugesetzt, auch ein Blitzschlag hat offenbar zum Verlust der Stabilität beigetragen. Foto: Avanti/Ralf Poller

Damit dies nicht passiert, hat das evangelische Verwaltungszentrum Stuttgart die Ebersbacher AeDis AG für Planung, Restaurierung und Denkmalpflege mit dem Fall beauftragt. Diese hat den Schaden der kupfernen Plastik erfasst und ein Gutachten erstellt. Dabei wurde festgehalten, dass offensichtlich auch ein Blitzeinschlag zum Verlust der Stabilität führte.

„Das machen wir mal geschwind, gibt es nicht!“

Dementsprechend hat das Unternehmen Restaurierungsschritte vorgeschlagen und sich schließlich an den Beilsteiner Restaurator gewandt, der zu den wenigen Fachleuten auf diesem Gebiet zählt. „Es gibt nicht allzu viele, die so etwas angehen“, weiß Martial Herbst, für den der auf circa 150 Stunden geschätzte Auftrag eine grandiose berufliche Herausforderung ist. „So was macht man nicht jeden Tag. Ich freue mich sehr darauf“, teilt der Metall-Restaurator seine Vorfreude. „Man sieht eigentlich erst beim Machen, was exakt zu tun ist. Manchmal bricht einem das Material regelrecht unter den Fingern weg“. Und so gilt: „Das machen wir mal geschwind, gibt es nicht!“

Diese Devise gilt auch für seinen Sohn Joscha Wewoda, der im väterlichen Betrieb die Ausbildung zum Metallgestalter gemacht hat und gelegentlich dem Vater zur Seite stehen soll. „Bei dem großvolumigen Projekt braucht man eben auch mal vier Hände“.