Wer von den Bahnsteigen im Hauptbahnhof über den Steg in Richtung Schlossgarten geht, kann zurzeit bei Dunkelheit sozusagen eine blühende S-21-Baustelle entdecken. Per Großdiaprojektoren werden nachts bunte Blumen über die Baufläche verteilt und Fassaden per Licht neu gestaltet.

S-Mitte - Manche Wege mitten in und durch Stuttgart sind richtig gruselig, wenn es dunkel ist. Die stählerne Stegkonstruktion, die vom Biergarten im Mittleren Schlossgarten direkt zu den Bahnsteigen führt, gehört ganz sicher dazu. Auf dieser kürzesten Verbindung zwischen der Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie und den Zügen hallen die Schritte bei Dunkelheit noch lauter auf dem Stahlblech, ganz unheimlich wird es, wenn die Beleuchtung ausfällt. Seit Anfang Januar werden Bahnreisende auf diesem Weg aber plötzlich von buntem Licht überrascht. Und wer einen Blick hinab auf die eher triste S-21-Baustelle wirft, kann auf der Seite in Richtung Bahnhofsturm auf einmal bunte Blumen auf dem mal matschigen, zurzeit hart gefrorenen Boden entdecken, auf der anderen Seite Rettungsringe auf der Fassade eines mutmaßlich zum Grundwassermanagement gehörenden Gebäudes. Und nicht selten huscht ein Lächeln über das Gesicht der Passanten, wenn sie die Lichtspiele entdecken.

 

Die Lichtspiele waren zunächst nur für drei Tage geplant

Die Illumination dieser Baustellenbereiche ist nur zu entdecken, wenn die Bauarbeiten über Nacht eingestellt und die Flutlichter für diese Abschnitte ausgeschaltet sind. Und man kann sie nur von dem Steg aus sehen. „Wir versuchen, den Menschen unterschiedliche Blicke auf die Baustelle zu ermöglichen“, sagt Tanja Sehner vom Verein Bahnprojekt Stuttgart–Ulm über das Beleuchtungsprojekt. Vor den Tagen der offenen Baustelle von 4. bis 6. Januar beauftragte der Verein das renommierte Stuttgarter Unternehmen Music Express Veranstaltungstechnik mit Sitz in der Dantestraße im Stuttgarter Westen damit, ein Beleuchtungskonzept für die Baustelle zu entwickeln.

„Wir wollten den Besuchern und Reisenden etwas Überraschendes bieten, einen Aha-Effekt“, sagt Sehner, die in dem von Stadt, Land und vor allem der Bahn finanzierten Verein für das Marketing und Veranstaltungen zuständig ist. Eine Kollegin aus dem Verein habe Illuminationsprojekte von der Firma gekannt. „Dann haben wir gemeinsam mit Stefan Mayer überlegt, wo und wie das überhaupt möglich ist“, so Sehner. „Das ist auf so einer Großbaustelle nicht so einfach.“

Rosen, Rettungsringe und Prilblumen

Das Ergebnis der Überlegungen konnten die Besucher bei den Tagen der offenen Baustelle dann Anfang Januar bewundern. Da erblühte mitten auf dem Durchgang zwischen den aufgereihten Baggern plötzlich eine große Rose, auch auf den hohen Betonsilos blühte es plötzlich bunt und Container erschienen auf einmal in einem ganz anderen Licht.

Stefan Mayer ist einer der Inhaber von Music Express und hat sich die Beleuchtung ausgedacht. Blumen böten sich dafür an, weil sie relativ homogene Farbflächen hätten, was bei dem unruhigen Untergrund wichtig sei, sagt er. Für die Projektion müssen Großdiaprojektoren mit 18 mal 18 Zentimeter großen Dias verwendet werden. Neuzeitliche Beamer erreichen die erforderliche Lichtstärke nicht. Allerdings müssten die Motive ab und zu gewechselt werden, weil die Dias bei der Lichtstärke „relativ schnell kaputt gehen“.

Ursprünglich war diese Form der nächtlichen Beleuchtung der Baustelle nur für die drei Tage geplant gewesen. „Aber die Rückmeldungen waren so positiv, dass wir das verlängert haben“, sagt Tanja Sehner. Die Lichtblumen sollen jetzt bis Ende Januar zu sehen sein. Ein Dauerprojekt soll die Illumination nicht werden. Sehner: „Das ist zum einen eine Kostenfrage. Zum anderen wäre es dann ja auch nichts Besonderes mehr.“