Es ist eine der am heftigsten umstrittenen Fragen der Sozialpolitik – doch nun könnte es Bewegung geben: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat drei konkrete Vorschläge formuliert, um die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten zu reformieren.

Stuttgart - Es ist eine der am heftigsten umstrittenen Fragen der Sozialpolitik, und es ist ein Dauerstreit. Lange schien es so, als würde die sogenannte Doppelverbeitragung von Betriebsrenten von der großen Koalition nicht angegangen. Nun aber setzt ein Umdenken ein. Das geht aus einem Brief hervor, den Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an die Gesundheitsexperten der Unionsfraktion geschrieben hat und der unserer Zeitung vorliegt.

 

Es geht um folgendes Problem: In der gesetzlichen Krankenversicherung zählen Betriebsrenten und Kapitalauszahlungen der betrieblichen Altersvorsorge zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen. Seit 2004 wird darauf der allgemeine Beitragssatz erhoben (14,6 Prozent plus Zusatzbeitrag). Die Rentner haben ihn allein zu tragen. Zuvor wurde nur der halbe Satz erhoben, und Einmalauszahlungen waren beitragsfrei. Die Einnahmen aus diesen Versorgungsbezügen belaufen sich für die GKV auf 5,7 Milliarden Euro pro Jahr.

„Fallbeil-Effekt“ soll vermieden werden

Spahn deutet in seinem Brief nun drei Modelle an, um den Status quo zu ändern. Erstens nennt er die Option, die heute geltende Freigrenze von 152,25 Euro in einen Freibetrag umzuwandeln. Wer nämlich heute auch nur einen Cent über der Freigrenze liegt, muss den Beitrag für alle Bezüge zahlen. Ein Freibetrag würde diesen Fallbeileffekt vermeiden, so Spahn, und kostete rund 1,1 Milliarden Euro. Ein zweites Modell wäre eine „Freigrenze mit Gleitzone“. Dabei, schreibt Spahn, „würden die überschreitenden Einnahmen nicht voll verbeitragt, sondern die Beitragsbelastung würde zur Vermeidung des Fallbeil-Effekts bei Überschreitung stetig ansteigen“. Gleichzeitig könnte sich Spahn eine Anhebung der Freigrenze auf 200 Euro vorstellen. Die Gleitzone könnte dann bei 350 Euro enden. Damit könnten „50 Prozent der Betriebsrentner vollständig von der Beitragszahlung befreit“ werden. Kosten: 600 Millionen Euro.

Noch viel weitgehender ist Spahns dritte Variante: die Wiederherstellung der Rechtslage vor 2004, also die Halbierung des Beitragssatzes. Das wäre teuer – 2,5 Milliarden nach Spahns Rechnung. Eine Summe, von der Spahn meint, dass sie „eine Gegenfinanzierung erfordert, um Beitragserhöhungen in der GKV zu vermeiden“. Dafür schlägt der Minister vor, die Beiträge des Bundes für ALG-II-Bezieher „dauerhaft pauschal um 1,5 Milliarden Euro pro Jahr“ zu erhöhen.

Das alles hilft aber wohlgemerkt den seit 2004 Betroffenen, die sich längst zu einer sehr effektiven Interessenvertretung zusammengefunden haben, nicht weiter. Spahns Pläne gelten für die Zukunft. Wollte man den seit 2004 von der Doppelverbeitragung Betroffenen den halben Satz zurückerstatten, würden 37 Milliarden Euro fällig, rechnet Spahn vor. „Eine Summe dieser Größenordnung ist unter keinen Umständen darstellbar“, legt sich Spahn fest. „Es kann und sollte nur eine Regelung für die Zukunft gefunden werden.“