In Ländern wie Italien, Spanien und China werden flächendeckend Straßen und öffentliche Plätze desinfiziert. Ein Hygiene-Experte erklärt, warum diese Methode in Deutschland nicht praktiziert wird.

Stuttgart - Immer wieder sieht man seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie Bilder, auf denen das Virus durch großflächiges Sprühen von Desinfektionsmitteln bekämpft werden soll. Dabei werden Straßen, Autos, Häuser, Spielplätze und manchmal sogar Menschen bespritzt. Länder wie China, Russland und Südkorea nutzen diese Methode seit Beginn des Ausbruchs zur Virusbekämpfung. Auch aus Italien und Spanien mehren sich solche Bilder.

 

In diesen Gebieten reinigen Menschen mit Schutzanzügen und Atemmasken die Straßen. Mithilfe von Tankwagen werden sogar ganze Straßenzüge mit Desinfektionsmittel eingenebelt. Doch in Deutschland wird auf diese Methode bisher verzichtet. Und das aus gutem Grund. „Das Einnebeln der Straßen bringt gar nichts“, sagt der Hygiene-Experte Georg-Christian Zinn vom Zentrum für Hygiene und Infektionsprävention (ZHI) der Bioscientia. „Wir werden so etwas in Deutschland nicht sehen“, ist sich der Arzt sicher.

Bürger sollen durch flächendeckende Desinfektionen beruhigt werden

Viele Länder würden diese Methode aufgrund ihres psychologischen Effektes nutzen. In Südkorea erklärten die Behörden beispielsweise, dass man mit den Maßnahmen den Bürgern helfen wolle, sich sicherer im Kampf gegen das Virus zu fühlen. Die Experten nennen das eine „rituelle Hygiene“. Der Arzt warnt vor den Folgen für die Gesundheit und für die Umwelt. Denn bei der Flüssigkeit, mit der die Umgebung gereinigt wird, handelt es sich um Desinfektionsmittel auf Chlorbasis. „Wenn Kinder dann auf dem desinfizierten Spielplatz den Sand in den Mund nehmen, birgt das ein gesundheitliches Risiko“, erklärt der Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin.

Das Virus wird durch das Desinfektionsmittel zwar abgetötet, doch sinnvoll ist diese Maßnahme laut der Einschätzung des ärztlichen Direktors des ZHI nicht. „Wenn man nach dieser Logik gehen wollte, müsste man die Straßen stündlich desinfizieren und nicht nur ab und zu“. Zudem gehen die Experten nicht davon aus, dass sich das Virus überhaupt in gefährlicher Konzentration auf Flächen halten kann. Im renommierten New England Journal of Medicine wurde zwar zuletzt eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass Viren auf manchen Oberflächen einige Stunden bis Tage überleben können, ob die Erreger dann aber noch ansteckend sind, wurde nicht untersucht. Zudem wurden die Tests bisher nur unter Laborbedingungen durchgeführt. Äußerliche Beeinträchtigungen wie Wind, Sonne und Regen lassen die Viren hingegen schnell absterben.

Verbreitungsweg des Virus spricht gegen die Methode

Für entscheidend hält Zinn auch den Verbreitungsweg des Virus. Denn dieses wird vom Menschen über die Luft übertragen. „Sich mit Viren über die Straße oder über öffentliche Plätze anzustecken, das halte ich für unmöglich“, sagt der Hygiene-Experte. „Selbst wenn jemand auf der anderen Straßenseite hustet, ist die Gefahr sich anzustecken sehr gering“, so Zinn weiter. Das Virus sei nämlich nur kurze Zeit in der Luft, werde sofort verdünnt und falle zu Boden. Zudem würden die Viren nur rund 1,5 Meter weit fliegen.

Im Kampf gegen das Virus setze man in Deutschland auf gezielte Reinigungen und auf eine andere Technik. So werden laut Zinn in den Krankenhäusern beispielsweise die Betten und Oberflächen mit Desinfektionsmittel abgewischt und nicht eingenebelt. Durch die mechanische Bewegung könne man das Virus besser beseitigen.