Belästigung in der Landesverwaltung Nur die Spitze des Eisbergs?
Der Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigt sich nicht nur mit sexueller Belästigung bei der Polizei. Auch die Landesbehörden insgesamt sollen untersucht werden. Geschieht genug?
Der Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigt sich nicht nur mit sexueller Belästigung bei der Polizei. Auch die Landesbehörden insgesamt sollen untersucht werden. Geschieht genug?
Es ist der erste Punkt im Auftrag des Untersuchungsausschusses – und doch der bislang am wenigsten beleuchtete: Es geht um die Frage, wie das Land mit dem Thema der sexuellen Belästigung in Landesbehörden bisher umgegangen ist. Den größten Erkenntnisgewinn brachte bisher der Regierungsbericht. In den fünf Jahren vor dem Start des Ausschusses wurden mehr als 300 Verdachtsfälle gemeldet, nur ein Teil davon mündete in Ermittlungen oder Disziplinarverfahren. Der Untersuchungsausschuss will schon seit geraumer Zeit Ermittlungsbeauftragte einsetzen, welche die Fälle aus den vergangenen zehn Jahren unter die Lupe nehmen sollen. Doch die Suche nach geeigneten Personen gestaltet sich schwierig.
Parallel wurde in der Verwaltung nachgesteuert. Im Sozial- und im Innenministerium gibt es neue Dienstvereinbarungen. Darüber hinaus soll im Innenministerium eine Vertrauensanwältin ernannt werden. An diese sollen sich Betroffene vertraulich wenden können, um sich juristisch beraten zu lassen. Reicht das?
Die Landesfrauenvertreterin des Beamtenbundes, Heidi Deuschle meint, nein. „Der Opferschutz klappt nicht im erforderlichen Umfang“, sagt sie. „Da muss erheblich etwas getan werden.“ Ihrer Meinung nach braucht es interne Meldestellen in jedem Ministerium. „Das muss jemand mit juristischer Vorbildung sein, weil oft disziplinarrechtliche Fragen betroffen sind“, sagt Deuschle. Darüber hinaus müsste das Chancengleichheitsgesetz von der Landesregierung nachgeschärft werden. „Es braucht Strukturen, dass die Beauftragten für Chancengleichheit gehört werden müssen. Vorgesetzte dürfen sich darüber nicht hinwegsetzen.“
Für die Polizei gibt es in Form der Bürgerbeauftragten des Landes bereits eine Ansprechpartnerin außerhalb der Organisation. An sie können sich Polizeibeamte und Tarifbeschäftigte wenden, ohne den Dienstweg einzuhalten. Dafür dürfen sie weder dienstlich gemaßregelt werden noch sonstige Nachteile erleiden, erklärt die Bürgerbeauftragte Beate Böhlen. Ihr Vorteil sei, dass sie im Gegensatz zu Vorgesetzten bei der Polizei keine Strafverfolgungspflicht habe. Ihr Problem: „Wir müssten als Ansprechstelle in der Polizei bekannter gemacht werden.“
Seit November 2021, als der Fall des Inspekteurs bekannt wurde, hätten sich einige Frauen gemeldet, die von älteren Vorkommnissen berichten, aber keine Strafverfolgung wollten. Auch Männer hätten ihre Erfahrungen von Machtmissbrauch geteilt. „Aktuelle neue Fälle haben sich nicht gemeldet.“ Böhlen geht aber davon aus, dass die in der Landesverwaltung gemeldeten Fälle nur die allerhöchste Spitze des Eisbergs sind. „Das Dunkelfeld ist viel, viel größer.“