Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist der prominenteste Ruheständler des Vatikans. Er äußert sich relativ gerne, fühlt sich hernach aber missverstanden. Er wolle nicht mehr den Kurs der Kirche bestimmen, behauptet er.

Rom - Er wolle „der Welt verborgen bleiben“, sagte Joseph Ratzinger nach seinem Rücktritt als Papst Benedikt XVI. vor 22 Monaten. Aber so einfach ist das nicht. Manchmal erwischen Teleobjektive den 87-Jährigen von der Kuppel des Petersdoms aus, wenn er mit dem Rollator auf der Dachterrasse seines vatikanischen Austragsklosters hin- und herschiebt.

 

Viele Besucher und Verehrer empfängt er im Stillen; er kommt auch gerne, wenn ihn sein Amtsnachfolger zu Zeremonien auf den Petersplatz einlädt. Wie überhaupt Papst Franziskus neulich wieder sagte: Benedikt sei für ihn „wie ein weiser Opa“: „Es tut mir gut, ihn anzuhören, und er ermutigt mich auch sehr.“ Manchmal aber drängt es den (Un-)Ruheständler an die Öffentlichkeit – mit Stellungnahmen, die die Frage aufwerfen, ob es in Wahrheit nicht doch zwei Päpste im Vatikan gebe. Just nachdem die Bischofssynode im Oktober über die katholische Ehe- und Familienlehre debattiert hatte, erschien Band IV von Joseph Ratzingers Gesammelten Schriften.

Benedikt schreibt seinen alten Aufsatz radikal um

Er enthält einen Aufsatz zu einer der bei der Synode umstrittensten Fragen: Dürfen Katholiken, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben, die Kommunion empfangen? Dezidiert sagt Benedikt Nein, so wie er es stets tat, seit er 1981 zum Chef der Glaubenskongregation gemacht worden war. Doch es gab ein Leben davor, und als junger Startheologe hatte Ratzinger vor 42 Jahren eine viel flexiblere Meinung vertreten. Seinen Schlüsselaufsatz von damals hat er für den Band IV radikal umgeschrieben – und sich damit dem Vorwurf ausgesetzt, er wolle den Kirchenkurs weiter bestimmen. „Unsinn“ seien solche Behauptungen, sagte der „Papa emeritus“ neulich der FAZ. Er habe den Aufsatz Monate vor Beginn der Synode verfasst. Wobei das eine politische Absicht nicht ausschließt, denn schon im August war klar, worüber die Synode debattieren würde, und die theologischen Kernthesen für eine Öffnung zu Gunsten wiederverheirateter Geschiedener hatte Kardinal Walter Kasper längst vorgetragen – auf Einladung von Franziskus übrigens.

Zur Entspannung im „Zwei-Päpste-Dilemma“ hat Ratzinger in der FAZ einen bemerkenswerten Vorschlag gemacht: Benedikt habe es „bedauert“, gibt Korrespondent Jörg Bremer wieder, „dass es ihm nicht gelang, sich auch von der Anrede her deutlicher vom regierenden Papst abzusetzen. Er habe gewollt, dass man ihn seit seinem Rücktritt ,Vater Benedikt‘ nennt oder ,Padre Benedetto‘, aber er“ sei damals nicht durchgedrungen. Ob man das schreiben dürfe, fragt der Korrespondent nach. „Ja, machen Sie das; vielleicht hilft’s.“