Mannheim will im Benjamin Franklin Village, einst das größte Quartier der amerikanischen Streitkräfte, Neues wagen. Wo einst 8000 GIs mit ihren Familien gewohnt haben, soll eine moderne und lebendige Siedlung entstehen.

Mannheim - Die Straßen heißen Lincoln Avenue, Jefferson Road oder Washington Street. Sie sind schnurgerade und meist deutlich breiter, als hierzulande in Wohnsiedlungen üblich. Links und rechts von ihnen stehen reihenweise Wohnblocks, jeder von ihnen 18 Meter lang und drei Stockwerke hoch. Dazwischen gibt es viele Grünflächen, Kindergärten, Kinos, Kirchen, ein Casino, etliche Schulen, Einkaufsmärkte, Sporthallen und – alles in allem – 41 Spielplätze. Aber auch eine echte Panzerstraße samt Unterständen für das schwere Gerät und eine Offizierssiedlung in einem idyllischen Kiefernwäldchen warten auf neue Nutzer. Benjamin Franklin Village im Mannheimer Norden war bis vor drei Jahren die größte US-Wohnsiedlung in Deutschland. 8000 GIs haben hier mit ihren Familien gewohnt.

 

Als die Amerikaner 2012 um einiges früher als erwartet die gesamte Fläche an die Immobilienanstalt des Bundes (BImA) zurückgegeben haben, sorgte das fast schon für Krisenstimmung im Rathaus. Die wenigsten Kommunalpolitiker wollten sich freuen über das zusätzliche Wohnungsangebot, obwohl in der Region die Wohn- und Mietkosten seit Jahren nur noch steigen. „Vor drei Jahren war Benjamin Franklin Village für mich ein Riesenfragenzeichen“, gesteht Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD). „Stadtplaner – auch überregional – haben gesagt: das braucht kein Mensch“, berichtet er.

In der Stadt selbst befürchteten die Experten, die Mietpreise könnten einbrechen, wenn zu viele der US-Wohnungen zu schnell auf den Markt kommen. „Die Prognosen gingen von schrumpfenden Einwohnerzahlen in Mannheim aus, man fürchtete eine Gettobildung und eine schleppende, schwierige Entwicklung. So sind wir in die Planung eingestiegen“, erläutert Kurz.

Mittlerweile ist die Stimmung äußerst optimistisch

Inzwischen sieht vieles ganz anders aus: „Wir haben eine spürbare Zuwanderung, die Bedingungen haben sich stabilisiert, das Investitionsklima ist gut, und uns ist es gelungen, ein Projekt zu kreieren, das eine eigene Dynamik entwickelt hat“. Entsprechend optimistisch ist die Stimmung. „Wir haben einen deutlichen Sprung nach vorn gemacht; das Projekt ist inzwischen mehr Chance als Herausforderung“, sagt Kurz.

Die Entwicklungen bei der Projektentwicklungsgesellschaft der Stadt laufen auf Hochtouren. Die Verkaufsverhandlungen für das Franklin-Gelände mit der BiMA stehen nach Angaben von Konrad Hummel, einem der beiden Geschäftsführer der Gesellschaft, vor dem Abschluss. „Wir sind uns im Prinzip handelseinig, es geht sozusagen nur noch um das Kleingedruckte“, sagte er. Am 16. März soll der Vertrag im Hauptsausschuss des Gemeinderats vorgelegt werden. „Wir gehen davon aus, dass wir das Thema dann zügig voranbringen“.

Fest steht inzwischen, dass das neue Stadtviertel im Gegensatz zu den ursprünglichen Planungen aus der Mitte heraus entwickelt werden soll und nach Möglichkeit im Zentrum – rund um die bisherige große „Franklin Chapel“ herum – auch eine Art Marktplatz geschaffen werden soll. Zu den großen Problemen gehören nach Angaben Hummels die gesamten Versorgungsleitungen, die allesamt erneuerungsbedürftig sind und die deutschen Vorschriften angepasst werden müssen.

Der „american way of life“ soll weiter spürbar sein

Die bisherigen Straßennamen wolle man möglichst beibehalten, auch der „american way of life“ solle in der Siedlung spürbar bleiben, kündigte er an. Fest steht aber auch, dass zwei Drittel der Bauten, darunter viele der monotonen Wohnblocks ebenso wie ältere Sporthallen, im Zuge der Konversion abgerissen werden sollen. Um die Entwicklungskosten und Grundstückspreise zu refinanzieren sei eine Nachverdichtung auf den vielen Freiflächen unumgänglich, zugleich wolle man aber auch etliche Bestandsgebäude mit ihren großzügigen und – mit Parkettböden und Einbauküchen sehr gut ausgestatteten Wohnungen – erhalten, erklärte Hummel.

Die ersten Baufelder im Zentrum der Siedlung sind bereits an Investoren vergeben. Für die Entwicklung dort habe man „zehn verbindliche Partner“, erklärte Hummel, hier gebe es schon jetzt im Prinzip keine freien Flächen mehr. Als einziges Unternehmen aus Mannheim ist die städtische GBG dabei. Wenn alles gut läuft, sollen im Mai kommenden Jahres die ersten „Pioniere“ auf Franklin einziehen.

Danach soll in den folgenden zehn bis 15 Jahren aus der US-Siedlung aus den 1950er Jahren nach und nach ein modernes, lebendiges Viertel mit sozialer Durchmischung werden. Es soll Wohnraum, Gewerbe, neue Energiekonzepten, Freizeit- und Bildungseinrichtungen für 8000 neue Bewohner bieten. „Es soll ein Quartier entstehen, das einen eigenen Charakter bekommt und Angebote möglich macht, die bisher in der Stadt und der Region noch nicht vorhanden sind“, sagte OB Kurz.

Die Siedlung wurde während des Korea-Kriegs errichtet

Die Wohnsiedlung Benjamin Franklin Village wurde in den 1950er Jahren während des Korea-Kriegs für die hier stationierten US-Soldaten und ihre Familien errichtet. Zusammen mit den Kasernen umfasst das Areal eine Fläche von 300 Hektar, das entspricht in etwa der Größe der Mannheimer Innenstadt.

Die Siedlung liegt am nordöstlichen Stadtrand unmittelbar am Naherholungsgebiet Käfertaler Wald, in Reihweite von Hessen; zwei Schnellstraßen trennen das Quartier bisher von seinen Nachbarstadtteilen. Die Autobahnen sind nah, die Innenstadt von Mannheim ist etwa sieben Kilometer entfernt.

Bisher gibt es gut 2000 Wohnungen, etwa tausend mehr sollen es nach der Konversion sein. Die Stadt will Miet- und Eigentumswohnungen in verschiedenen Preislagen schaffen und auch Grundstücke mit etwa 500 Quadratmeter Größe für Eigenheime anbieten. Um den neuen Stadtteil weithin sichtbar zu machen wünschen sich die Planer zwei oder drei neue Hochhäuser. Darüber hinaus soll es Platz für Kulturschaffende, kreative Köpfeund sportlich ambitioniere Neubewohner geben.