Der Bund für Heimatkunde Benningen hat eine Tradition der Winterzeit aufleben lassen, die sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt: die Lichterstube. Ein Besuch in der Museumsstube mit Kachelofen.

„Es wird wieder kühler. Man kann einen neuen, kuscheligen Pullover oder eine warme Jacke gut gebrauchen.“ Irmgard Meyer-Steinhart erzählt von der Lichterstube, die der Bund für Heimatkunde Benningen im Januar dieses Jahres erstmals angeboten hat. Einmal im Monat trafen sich Interessierte von 19 Uhr bis 21 Uhr im Museum im Adler, für Handarbeiten oder einfach, um sich auszutauschen. Das taten sie bis zum Sommer – und seit September tun sie es wieder. Im Museum im Adler hat der Bund für Heimatkunde auch seinen Arbeitsraum. In diesem Verein engagiert sich Irmgard Meyer-Steinhart seit Jahren mit Rita Schlegel, Sigrid Walter und Sonja Hähnlen. Sie konzipieren Veranstaltungen zur Heimatforschung und –pflege, schauen nach Exponaten für das kleine Benninger Museum.

 

Licht und Wärme waren einst ein seltenes Gut im Winter

Mit der Lichterstube knüpft das Team an eine Tradition an, die sich mancherorts bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Also einer Zeit, in der Licht und Wärme ein seltenes Gut waren, in der mit Brennholz und kostbarem Lampenöl sparsam umgegangen werden musste. „Früher versammelten sich in den kalten Herbst- und Winterabenden in vielen Dörfern nach getaner Arbeit Frauen und Mädchen reihum bei jemandem, der Wärme und Licht zur Verfügung stellte, um in einem Raum gemeinsam zu handarbeiten“, sagt Meyer-Steinhart. „Daher der Name Licht- oder Lichterstube.“ Dort arbeiteten die jungen Mädchen an ihrer Aussteuer, die Mütter hatten mancherlei zu flicken und zu stricken. Manchmal waren auch junge Burschen dabei, aber nicht nur, um kleine Reparaturen und Schnitzarbeiten zu erledigen.

Ein Brauchtum, das die ehemalige Lehrerin bei Ingrid Frank kennenlernte. Sie betreibt ein Web-Atelier in Brackenheim/Dürrenzimmern (Kreis Heilbronn) und lädt dort zu „Vorsitzen“. „Seit Jahren treffen sich dort Frauen und stricken am Abend miteinander. Das ließ mir keine Ruhe, ich schlug es im Verein vor.“ Gesagt, getan. Rita Schlegel ging vor Weihnachten mit zum Frank’schen „Vorsitz“ – und war begeistert. Das Team beschloss, derlei als Lichterstube auch zu probieren, obschon es für Benningen historisch bisher keine solche nachweisen konnte.

„Aber wir waren überzeugt, dass es Leute gibt, die mit uns stricken, basteln oder einfach nur schwätzen wollen. Man muss ja keine Handarbeiten machen.“ Der Erfolg sollte den Vieren Recht geben. „Beim ersten Mal haben wir mit sechs Frauen gerechnet – aber schon zwanzig Minuten vor dem offiziellen Beginn der Lichterstube mussten mehr Stühle aufgestellt werden. Letztlich waren wir dann doppelt so viele: zwölf Frauen.“

Und so ging es in den folgenden Monaten weiter. Frauen verschiedenen Alters aus Benningen, Berufstätige und Rentnerinnen, kamen aus unterschiedlichsten Gründen. Eine Teilnehmerin habe betont, dass sie wohl gerne stricke und sticke, aber nicht daheim, sondern lieber in Gesellschaft. Andere liebten den Austausch von Ideen, Tipps zu Wolllieferanten, Marken und Techniken. „Da wird auch Außergewöhnliches gehäkelt. Ich selbst habe nun das Klöppeln angefangen, das interessiert viele, genauso wie die Unterhaltungen.“ Spannend sei, wenn von „früher im Ort“ erzählt würde, etwa wer wo wohnte mit wem. So könne man Geschichten und Geschichte dokumentieren.

Volles Haus: Die Lichterstube des Bund für Heimatkunde in Benningen kommt bestens an. Foto: Mostbacher-Dix

Die Lichterstuben waren vor allem auf dem Land und in Gebirgsgegenden verbreitet, trugen – je nach Region – verschiedene Namen wie Spinnboden, Liot-Oobad, Kunkelkammer, Brechel-, Spinn- oder Rockenstube. Und dass früher außerdem mal junge Kerle dabei waren, hätte die Kirche damals gar nicht so gut gefunden, weiß Irmgard Meyer-Steinhart. Sie fügt zwinkernd hinzu: „Sie sah gleich die Unmoral aufziehen.“ Denn die jungen Leute seien nach der warmen, lichten Stube oft nicht sofort nach Hause zu den Eltern gegangen, sondern flanierten gemeinsam andere Wege entlang.

Die Teilnehmerinnen betonen, dass es für Frauen so wenig Gelegenheit gebe, sich zwanglos zu treffen, ohne etwas konsumieren und immer regelmäßig dabei sein zu müssen – und dabei auch noch kreativ sein zu können. „Man hat keine Verpflichtung, es soll Spaß machen,“ sagt Meyer-Steinhart.

Sie lacht, wenn sie die „wunderbaren Unterhaltungen“ Revue passieren lässt. „Am Gründonnerstag vor Ostern entfachte sich eine hitzige, witzige Diskussion unter vor allem älteren Damen, wie man Maultaschen richtig macht.“ Kaum jemand sei zum Stricken gekommen, weil so leidenschaftlich darüber debattiert wurde, was da rein komme oder wie das ideale Brät aussehe.

Wann fanden Lichterstuben früher statt?

Einst fanden die Lichterstuben von Martini bis Maria Lichtmess – oder auch Ostern – statt, dann stand die Feldarbeit wieder intensiver an. Entsprechend wollten die Macherinnen des Bunds für Heimatkunde ihre Lichterstube bis Ostern anbieten. „Aber die Teilnehmerinnen waren alle der Meinung: Wir müssen unbedingt weitermachen. Also haben wir uns bis Juli jeden Monat einmal getroffen. Nur im August war Sommerpause“, sagt Irmgard Meyer-Steinhart.

Angespornt durch diese Nachfrage hat das Team nun neue Termine im Benninger Museum im Adler angesetzt. Nach der Wiederaufnahme im September stehen schon zwei weitere Treffen fest: An den Donnerstagen des 24. Oktober und des 28. November kann wieder gestrickt, gehäkelt, geklöppelt, gebastelt, geklönt werden. Vielleicht auch im Dezember, aber das steht noch nicht fest. Irmgard Meyer-Steinhart betont: „Kommen sie vorbei. Wir freuen uns.“