Autofahrer machen einen Bogen um den neuen Kraftstoff E10. Nun drohen die Biospritlager überzulaufen.

Stuttgart - Der neu eingeführte Ökokraftstoff E10 droht, ein Flop zu werden. Denn kaum jemand betankt bis jetzt sein Auto mit dem Biobenzin. Während die Libyenkrise die Spritpreise nach oben treibt, treibt die Verwirrung bei dem neuen Kraftstoff E10 die Kunden dazu, vermehrt Super Plus zu tanken. Und die nur in kleinerer Menge produzierte Treibstoffsorte wird nun knapp.

 

„Wir haben wirklich große Probleme“, sagte Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) auf einer Pressekonferenz. Picard appellierte an die Autofahrer, den neuen Bio-Super-E10-Kraftstoff zu tanken. Doch viele greifen momentan lieber tiefer in die Tasche und entscheiden sich für den um fünf bis acht Cent pro Liter teureren Kraftstoff Super Plus. „Die Nachfrage nach Super Plus übersteigt momentan die Produktion deutlich“, sagte eine Sprecherin des Verbandes. An einigen Tankstellen ist der hochwertige Kraftstoff bereits aufgebraucht.

Nachfrage an Super Plus kann nicht gedeckt werden

Versorgungsengpässe seien daher unvermeidbar. „Die Nachfrage nach Super Plus kann von den Raffinerien nicht gedeckt werden“, so die Sprecherin. Einfach mehr zu produzieren sei aus technischen Gründen nicht möglich. Im Gegenzug würden die Tanklager mit dem Biosprit E10 überquellen. Die Lagerkapazitäten seien erschöpft, die Produktion müsse daher eventuell zurückgefahren werden.

Die Kunden verweigern sich momentan schlicht dem Biosprit. Nach Einschätzung des MWV tanken bis zu 70 Prozent der Autofahrer in Deutschland den „falschen“ Kraftstoff. Grund hierfür dürfte die anhaltende Verwirrung darüber sein, welches Auto denn nun eigentlich den Biokraftstoff verträgt. Für den Automobilclub ADAC liegt das Problem auch in der unzureichenden Information des MWV. „Die Kunden sind total verunsichert“, sagte ein Sprecher des ADAC. Es sei auch kaum Werbung für den neuen Kraftstoff betrieben worden. Und so sickern die Information nur tröpfchenweise zu den Verbrauchern durch – ähnlich wie das neue Benzin in die Tanks.

93 Prozent der Autos vertragen E10

Die Zurückhaltung der Tankstellenkunden sei aber dennoch verwunderlich, denn schließlich würden 93 Prozent aller Autos den neuen Kraftstoff vertragen. Eine kurze Nachfrage beim Händler oder ein Blick ins Internet bringe Klarheit und erleichtere die Wahl an der Zapfsäule, so der Sprecher des ADAC. Für etwa drei Millionen vorwiegend ältere Autos ist der neue Kraftstoff hingegen schädlich. Ihre Fahrer müssen generell auf das teurere Super Plus umsteigen. Sonst beginnen empfindliche Motorteile zu rosten und Dichtungen können zerfressen werden.

Während der eine Kraftstoff knapp wird und der andere sich zum Ladenhüter entwickelt, steigen die Ölpreise weiter an. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Mittwoch im frühen Handel 115,87 US-Dollar – 45 Cent mehr als noch am Dienstag. Grund hierfür sind weiterhin die anhaltenden Unruhen in Libyen und die Ängste vor einer Ausweitung der Unruhen auf Saudi-Arabien oder Kuwait.

So herrscht derzeit Verunsicherung sowohl an den Rohstoffmärkten als auch an den Zapfsäulen. Ob nun aufgrund der erhöhten Nachfrage die Preise für Super Plus zusätzlich ansteigen, dazu wollte man sich beim MWV nicht äußern. Zu unsicher sei die Lage. Sicher sei hingegen, dass, wenn alles so bleibt, bereits Ende der Woche die ersten Raffinerien den Betrieb einstellen müssen, ihre Tanks sind dann randvoll mit dem speziell für E10 hergestellten Benzin. Das Bioethanol wird erst beim Abfüllen des Sprits auf die Tankwagen beigemischt.