Exklusiv Untreue bei Berateraufträgen hatte die CDU Verkehrsminister Winfried Hermann vorgeworfen. Nun bekommt der Grüne Rückendeckung von der Justiz: Es gebe keinen Verdacht, entschieden Staatsanwälte nach der Prüfung von Anzeigen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sieht keinen Anlass, gegen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wegen der Vergabe von Beratungsaufträgen zu ermitteln. Man habe aufgrund von Strafanzeigen den Vorwurf der Untreue geprüft, aber keinen Anfangsverdacht feststellen können, sagte eine Sprecherin der Behörde der Stuttgarter Zeitung. Ein Vermögensnachteil für das Land, der Voraussetzung für Untreue wäre, sei „nicht ersichtlich“; schließlich habe das Verkehrsministerium für die Beratungshonorare eine Gegenleistung bekommen. Wegen der Bekanntschaft Hermanns mit einem der Berater untersuchten die Ermittler zudem von sich aus eine mögliche Bestechlichkeit. Auch dabei habe sich kein Anfangsverdacht ergeben, sagte die Sprecherin. Weder gebe es die dafür notwendige „Unrechtsvereinbarung“, noch sei ein Vorteil gewährt worden.

 

Die Untreue-Vorwürfe waren von der Göppinger CDU-Landtagsabgeordneten und verkehrspolitischen Sprecherin Nicole Razavi erhoben worden. Sie zielte damit auf die Beauftragung der Berliner Beratungsfirma KCW und deren Partner Michael Holzhey. Wie das Ministerium auf eine CDU-Anfrage hin mitteilte, hat KCW seit dem Regierungswechsel Aufträge im Wert von etwa 500 000 Euro erhalten, überwiegend ohne Ausschreibung. Dabei ging es vor allem um die neuen Nahverkehrsverträge; dank der bundesweit renommierten Berater, lobte das Verkehrsressort, habe man schon viele Millionen Euro gespart. Razavi hatte den Verdacht geäußert, dem Stuttgart-21-Kritiker Holzhey – einem langjährigen Bekannten Hermanns – sei sein Engagement für die Projektkritiker „nachträglich vergoldet“ worden. Es gehe nicht nur um „Günstlingswirtschaft“, sagte sie im Landtag: „Es steht vielmehr auch der Vorwurf der Untreue im Raum.“

Empört über „böswillige Unterstellungen“

Aufgrund dieser Äußerungen kam es offenbar zu den Strafanzeigen – einer anonymen und einer namentlich gezeichneten, wie es hieß. Die CDU-Abgeordnete selbst hat laut Staatsanwaltschaft keine Anzeige erstattet. Untreue wäre eine Straftat, auf die bis zu fünf Jahre Haft oder Geldstrafe stehen; entsprechend empört waren die Grünen und Hermann über die Attacke. Schon im Plenum hatte der Vizefraktionschef Andreas Schwarz entgegnet, Razavis Vorwurf sei ohne Substanz. „Hüten Sie Ihre Worte“, warnte er sie.

Der Verkehrsminister hatte sogar prüfen lassen, rechtlich gegen die Parlamentarierin vorzugehen. Womöglich sei der Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt. Wegen des besonderen Schutzes der Abgeordneten vor Strafverfolgung durch die sogenannte Indemnität verzichtete er jedoch darauf; für Äußerungen in Ausübung des Mandats können sie praktisch nicht verfolgt werden. Im Plenum hatte Hermann von „haltlosen, böswilligen Unterstellungen“ und „niederträchtigen Vorwürfen“ gesprochen. Er dürfte sich nun von der Justiz bestätigt sehen.

Einst selbst Zielscheibe von Filzvorwürfen

Die Filz-Vorwürfe hatte der Minister offiziell von seinem neuen Amtschef Uwe Lahl (63) zurückweisen lassen. Inzwischen wurde bekannt, dass Lahl vor zwanzig Jahren selbst Zielscheibe von Filz-Vorwürfen war und deshalb sein Amt als Staatsrat in Bremen verlor. Der damalige Umweltsenator Ralf Fücks (Grüne) versetzte ihn als seinen Stellvertreter schweren Herzens in den einstweiligen Ruhestand. Hintergrund war die Vergabe eines Gutachtens zur Nachfolgelösung für die betagte Bremer Müllverbrennungsanlage; für einen sechsstelligen Betrag beauftragte die Umweltbehörde damit ein Ingenieurunternehmen.

Erst stellte sich heraus, dass die Ehefrau des Staatsrats bei einer Tochterfirma der Berater beschäftigt war. Nach einigem Zögern bestätigte Lahl dann, dass er mit dem Beratungsunternehmen vor seinem Amtsantritt in Bremen bereits einen Vertrag als Geschäftsführer ausgehandelt hatte. Prompt sprach die CDU von „grüner Vetternwirtschaft“ und warf den Grünen vor, sie hätten sich „schnell dem stinkenden Genossenfilz angepasst“. Nach damaligen Medienberichten wurde Lahl vor allem sein Informationsgebaren zum Verhängnis; einen Einfluss auf die Auftragsvergabe hatte er stets bestritten. Seine Karriere setzte er später als Ministerialdirektor im Bundesumweltministerium fort.

„Solche Kampagnen muss man durchstehen“

Auf StZ-Anfrage bestätigte ein Sprecher des Verkehrsministeriums, die Vorgänge von 1994 in Bremen seien bei der Verpflichtung des neuen Amtschefs bekannt gewesen; dieser habe selbst darüber berichtet. Lahl betonte, die Staatsanwaltschaft Bremen habe die Vorwürfe im Rahmen eines Disziplinarverfahrens „bis ins Detail geprüft“. Das Ergebnis: das Ingenieurunternehmen habe sich „durch ein besseres Angebot durchgesetzt“, er habe „keinen Einfluss auf das Ergebnis genommen“. Rückwirkend wertete er es als Fehler, „dass ich damals geglaubt habe, man könnte so einer Schmutzkampagne durch Rückzug entgehen“. Er sei damals einverstanden gewesen, sich in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu lassen, „damit die Regierung wieder zur Sacharbeit übergehen kann“. Dies hänge ihm bis heute nach. Lahls Lehre aus dem Vorgang: „Solche Kampagnen muss man durchstehen.“