Hilfe durch Gespräche – die Caritas hat ihren Jahresbericht zur Erziehungs- und Paarberatung veröffentlicht.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Waiblingen - Als Frau S. sich bei der psychologischen Familien- und Lebensberatung der Caritas meldet, ist ihr Mann bereits seit ein paar Wochen ausgezogen. Ihre drei Kinder reagieren auf die Trennung unterschiedlich, die 16-Jährige mit Rückzug, der 14-Jährige mit Trauer, die 12-Jährige mit Wut und Aggression. Auch Frau S. selbst leidet sehr unter der Situation: Sie isst kaum noch, schläft schlecht und kann nicht mehr für ihre Kinder stark sein.

 

Neue Perspektiven entwickeln

Es sind Fälle wie diese, die den Löwenanteil im Bereich der Erziehungsberatung ausmachen, wie ein Blick in den jüngst erschienenen Jahresbericht der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz zeigt: Von den 487 Ratsuchenden sind 59 Prozent wegen sogenannter Belastungen durch familiäre Problemlagen gekommen. Neben Trennung und Scheidung fallen darunter auch Beziehungsstörungen und ungünstiges Erziehungsverhalten. Es folgen mit 16 Prozent Entwicklungsauffälligkeiten und seelische Probleme sowie Kindeswohlgefährdungen mit 14 Prozent.

Im Falle von Familie S., so erzählt die Sozialpädagogin und Familientherapeutin Ursula Kaiser, sei es gelungen, zunächst die Mutter zu stabilisieren: Mithilfe von Gesprächen sei sie sich ihrer Gefühle bewusst geworden und habe neue Perspektiven entwickeln können. „Dadurch konnte sie auch wieder besser auf die Kinder reagieren“, sagt Ursula Kaiser. Die Kinder und der Vater erhielten ebenfalls Beratungsgespräche. Letztlich sei es den Eltern dadurch gelungen, trotz der Trennung den Fokus wieder auf die Bedürfnisse der Kinder zu richten.

Familiäre Gewalt hat schwere Auswirkungen

Ein Großteil der Beratungen verlaufe erfolgreich. Dennoch: „Auch wir stoßen an unsere Grenzen, wenn Eltern blockieren oder nicht mitarbeiten“, erklärt Kaiser. Im schlimmsten Fall, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, melden die Beraterinnen und Berater den Fall dem Jugendamt. „Das wägen wir vorher gemeinsam im Team ab.“ Eine Kindeswohlgefährdung kann etwa dann vorliegen, wenn es zu Gewalt in der Familie kommt. In solchen Fällen schreitet der Krisen- und Beratungsdienst für Kinder und Jugendliche bei häuslicher Gewalt der Caritas-Beratungsstelle ein.

„Untersuchungen haben gezeigt, dass die Auswirkungen, wenn Kinder in einem familiären ‚Gewaltklima’ aufwachsen, ähnlich gravierend sind, wie bei Kindern, die in Familien mit einem sucht- oder psychisch kranken Elternteil aufwachsen“, heißt es im Jahresbericht. Es sei es wichtig, diese Gewalterfahrungen aufzuarbeiten, damit die Jungen und Mädchen wieder Stabilität und Freude zurückgewännen.

Wenn das Kind dazwischen geht

Ursula Kaiser schildert auch dazu einen Fall, der sich vor einiger Zeit so oder so ähnlich zugetragen hat: Eine Mutter hatte bereits das Jugendamt darüber informiert, dass sie in ihrer Beziehung massive Gewalt durch ihren Partner erfahre. Die sechsjährige Tochter hatte immer wieder versucht, sich dazwischen zu stellen, und eines Tages, als der Vater mit dem Messer auf die Mutter los ging, Nachbarn gebeten, die Polizei zu holen. Über das Jugendamt kam die Familie zur Beratung der Caritas.

Das Mädchen sei anfangs sehr nervös und unkonzentriert, ihr jüngerer Bruder so in sich gekehrt gewesen, dass er kaum gesprochen habe, erinnert sich Kaiser. Dank der Aufarbeitung des Erlebten, die bei Kindern weniger verbal, sondern vielmehr über malen und spielen erfolge, hätten sich die Kinder stabilisiert. Die Mutter trennte sich vom Vater, der ein Gewaltsensibilisierungstraining absolvierte und schließlich wieder Umgang mit seinen Kindern haben durfte.

Kostenlose Beratung steht jedem offen

2019 wurden laut dem Jahresbericht 29 Familien mit ihren Kindern und Jugendlichen neu in den Krisendienst aufgenommen – zwei mehr als 2018. Insgesamt hat sich die Zahl der Ratsuchenden in der Erziehungsberatung im Vergleich zum Vorjahr aber verringert: Von 502 auf 487. Auch die Zahl der neu aufgenommenen Personen fiel dem Bericht zufolge von 376 auf 334. Solche Schwankungen gebe es aber immer mal wieder, erklärt Claudia Kempinski, die Leiterin des Bereichs Familie und Erziehung bei der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz: „Ich glaube nicht, dass es den Leuten insgesamt besser geht.“ So gebe es in Ludwigsburg zum Beispiel eine Warteliste.

Der Arbeitsbereich Ehe-, Paar- und Lebensberatung der Caritas im Rems-Murr-Kreis verzeichnete im vergangenen Jahr 164 Ratsuchende (2018: 176) und 121 Neuanmeldungen, zehn mehr als im Jahr zuvor. Personenbezogene Anlässe – wie etwa Selbstwertprobleme oder Ängste – dominierten mit 42 Prozent, gefolgt von familienbezogenen Anlässen mit 25 Prozent.

Die Beratung bei der Caritas ist kostenlos und steht jedem offen, auch Jugendlichen. Die Mitarbeiter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.