Das Land muss dafür sorgen, dass schwangere Frauen sich über ihre bevorstehende Niederkunft informieren können. Das tun diese auch eifrig – bei 124 Beratungsstellen verschiedenster Träger.

Stuttgart - Vergangenes Jahr haben in Baden-Württemberg gut 58 000 Frauen eine Schwangerenberatung aufgesucht. Das ist eine beachtliche Zahl und unterstreicht zudem den Bedarf: Denn das bedeutet, dass mehr als die Hälfte aller werdenden Mütter zur Beratung gegangen ist. Die Tätigkeit der Stellen verdient auch Respekt in anderer Beziehung: Von den Rat suchenden Frauen kamen knapp 17 000, weil sie ihre Schwangerschaft als Konfliktsituation erlebten. Abgebrochen haben 2011 aber nur 12 000 Frauen.

 

Das geht aus Zahlen des Statistischen Landesamtes und des Sozialministeriums hervor. Diese Werte stehen freilich nicht für allerletzte Exaktheit. So fahren zum Beispiel Frauen zum Zwecke eines Eingriffs auch ins Ausland; diese Abtreibungen sind von der amtlichen Statistik nicht erfasst. Auf der anderen Seite werden die Zahlen in den Beratungsstellen nicht nach einem einheitlichen Maßstab erhoben.

Breites Beratungsspektrum

Aus fachlichen Gründen, so erklärt Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) sei bisher von einer landesweit vergleichenden Statistik abgesehen worden. Ihr Haus „vertritt die Auffassung, dass Fallzahlen die tatsächlichen Beratungsleistungen nicht annähernd abbilden“. Dafür sei das Beratungsspektrum, wie es das Schwangerschaftskonfliktgesetz vorgebe, viel zu groß. Das umfasse „zeitintensive psychosoziale Individualberatungen“ genauso wie die Weitergabe von Informationen, die Hilfe, wenn sozialrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden müssen, die Online-Beratung bis hin zu Gruppenangeboten in der Präventionsarbeit. Vergleiche zwischen den Beratungsstellen mit unterschiedlichen Profilen seien aus diesen Gründen „nur äußerst eingeschränkt möglich“.

Insgesamt lässt sich freilich sagen, dass die Nachfrage nach Konfliktberatung gesunken ist. Vor zehn Jahren gaben die Beratungsstellen gut 21 000 dieser Fälle zu Protokoll, vergangenes Jahr waren es noch 16 649. Auf der anderen Seite ist die fachliche Beratung deutlich wichtiger geworden. Wurden hierzu vor zehn Jahren knapp 30 000 Frauen vorstellig, waren es vergangenes Jahr gut 41 000.

Das Erbe von Johannes Paul II.

Wie aus dem Bericht des Sozialministeriums hervorgeht, ist die katholisch geprägte Schwangerenberatung – zumindest was die Zahl der Anlaufstellen anlangt – die umfänglichste im Land. Die verschiedensten Träger unterhalten insgesamt 124 Beratungsstellen. Davon sind 46 dem Caritasverband der Erzdiözese Freiburg, dem Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart, dem Sozialdienst katholischer Frauen und Donum Vitae zuzurechnen, einem Verein, der 1999 von katholischen Kreisen gegründet worden ist, nachdem Papst Johannes Paul II. den kirchengebundenen Einrichtungen untersagt hatte, Beratungsscheine nach einer Konfliktberatung auszustellen.

35 Stellen betreiben die diakonischen Werke Baden und Württemberg. Stark vertreten sind auch die kommunalen Träger, die 21 Anlaufstellen unterhalten. Pro Familia beschickt 18, andere freie Träger wie die Awo vier Beratungsstellen. In den 124 Stellen kümmern sich etwa 270 Fach- und Honorarkräfte um die Hilfe Suchenden. Damit „erfüllt Baden-Württemberg den gesetzlichen Auftrag und stellt ein ausreichendes plurales Angebot wohnortnaher Beratungsstellen sicher“, kommentiert die Sozialministerin.

16,5 Millionen Euro Zuschüsse

Wenn in zumutbarer Entfernung vom Wohnort der Rat suchenden Frau „mindestens zwei Beratungsstellen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung“ erreichbar sind, gelte das Beratungsangebot als sichergestellt. Wer im Enzkreis wohnt, muss freilich nach Pforzheim, wer im Landkreis Heilbronn wohnt, muss in die Kreisstadt, aus dem Alb-Donau-Kreis muss man nach Ulm. Von den 21 kommunalen Beratungsstellen sind zwölf ein freiwilliges Angebot der jeweiligen Träger, zum Beispiel der Landratsämter in Esslingen, Tauberbischofsheim, Waiblingen oder Calw.

Die Schwangerenberatung kostet das Land pro Jahr 16,5 Millionen Euro. So viel Zuschuss erhalten die Träger.