Klingt komisch, wirkt aber: Der „fiktive Unternehmerlohn“ ermöglicht es Künstlern wie Natalie Maria Fischer, den Lockdown finanziell zu überstehen. Künftig hilft ihr auch die Beratungsstelle für Corona-Hilfen, die am Montag ihre Arbeit aufnimmt.

Stuttgart - Leicht hat es Natalie Maria Fischer in diesem Jahr nicht. Die Pandemie macht ihr das Leben als freie Schauspielerin noch schwerer, als es in der Zeit davor ohnehin schon war. Sie hatte Engagements im Melchinger Lindenhof und an der Esslinger Landesbühne, im Stuttgarter Theaterhaus, in der Rampe und im Studio-Theater, meist als Gast mit Stückvertrag: War die Inszenierung abgespielt, floss kein Honorar mehr. „Schon vorm Lockdown musste ich schauen, wie ich zum Unterhalt meiner dreiköpfigen Familie beitragen konnte“, sagt die 47-jährige Schauspielerin, die „auf Sicht fahren“ musste, bevor diese Fortbewegung in Mode kam, zumal auch ihr Ehemann nicht zu den Großverdienern gehört. Fischer ist mit dem Kollegen Stephan Moos verheiratet, der mit dem Theaterhaus-Ensemble in Kurzarbeit steckt – und mithin auch in der Klemme, nur anders als seine Frau.

 

Neue Hotline für Corona-Hilfe

Der Unterschied liegt im Beschäftigungsverhältnis: Um einen festangestellten Künstler kümmert sich im vorliegenden Krisenfall die Agentur für Arbeit, die ihm 67 Prozent seines Nettogehalts als Kurzarbeitergeld zahlt – anders als einem freischaffenden, der weder einen Betrieb hat, der ihn ins Auffangbecken der Kurzarbeit schicken könnte, noch laufende Betriebskosten, die er als finanzielle Belastung bei einem Hilfsantrag geltend machen könnte. Zu dieser zweiten Gruppe zählt Natalie Maria Fischer. Sie drohte ins Nichts zu fallen. Der Lockdown im Frühjahr hatte ihr über Nacht alle Standbeine – Kriminalspiele zum Mitraten, Theaterprojekte mit Behinderten, Rollenspiele im Daimler-Assessment – weggehauen. Kein Einkommen, keine Überbrückungshilfe, nichts, wäre da nicht der sogenannte fiktive Unternehmerlohn gekommen, der Fischer auch aktuell im zweiten Lockdown rettend unter die Arme greift. „Ein Segen“, sagt sie.

Bis zu 1180 Euro monatlich können freischaffende Künstler und Soloselbstständige – vom Beleuchter bis zum Visagisten, vom Tontechniker bis zum Bühnenarbeiter – als Corona-Soforthilfe seit März aus Landesmitteln erhalten. Dazu müssen sie ihre Umsatzeinbrüche nachweisen, die verglichen mit dem Vorjahreszeitraum in zwei zusammenhängenden Monaten mindestens 50 Prozent betragen müssen oder – Variante zwei – mindestens dreißig Prozent in den Monaten April bis August. Es gibt weitere Varianten, die zum Überbrückungsgeld führen, das nicht selbst, sondern von einem Steuerberater beantragt werden muss. Als Lotse durch den Antragsdschungel nimmt am kommenden Montag die neue Beratungsstelle für Corona-Hilfen die Arbeit auf, angesiedelt bei der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG). Sie ist täglich von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr telefonisch unter 07 11 / 9 07 15- 4 13 erreichbar.

Bundesweites Erfolgsmodell

Beim Land liegt auch das Copyright für den fiktiven Unternehmerlohn. „Bundesweit waren wir Vorreiter bei der Gestaltung der Soforthilfe für Kulturschaffende“, sagt Petra Olschowski, Kunststaatssekretärin im Wissenschaftsministerium von Theresia Bauer (Grüne). Nachdem die Maßnahme im März in Baden-Württemberg eingeführt wurde, zogen Thüringen und Nordrhein-Westfalen im Juni, Bayern im Oktober nach. Mittlerweile wird das erfolgreiche Modellprojekt auch auf Bundesebene diskutiert und variiert.

Im Frühjahr hat Natalie Maria Fischer für drei Monate den vollen fiktiven Unternehmerlohn bekommen, jetzt erhält sie weniger. „Zum Glück“, sagt sie, „laufen im Teil-Lockdown einige Projekte wieder an.“