Ohne Elternbeitrag kommen deutlich mehr Kinder in die Betreuung, sagt Gemeindetagspräsident Roger Kehle zum Vorschlag der Landes-SPD. Das Projekt werde teuer.

Stuttgart - Gebührenfreie Kindergärten würden Land und Kommunen weit mehr belasten als bisher bekannt. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Untersuchung des baden-württembergischen Gemeindetags hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Die Landes-SPD hatte vorgeschlagen, dass das Land den Kommunen die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung bis zum Schuleintritt erstattet. In ihrem Gesetzentwurf geht sie von einem Betrag von 529 Millionen Euro aus, den das Land dafür aufzubringen hätte.

 

Diese Summe bestätigt der Gemeindetag im Kern. Doch dabei werde es nicht bleiben, sagt Gemeindetagspräsident Roger Kehle. Der eigentliche Kostentreiber liege in der steigenden Anziehungskraft gebührenfreier Einrichtungen. Zwar besuchen die älteren Vorschulkinder schon jetzt fast alle eine Kita. Die Quote liegt bei 96 Prozent. Anders verhält es sich bei den Kindern unter drei Jahren. Dort liegt die Betreuungsquote aktuell bei 29 Prozent.

In einer nach Darstellung des Gemeindetags vorsichtigen Prognose steigt diese Quote um elf Prozentpunkte auf etwas über 40 Prozent. Die Konsequenz: Die jährlichen Betriebskosten der Einrichtungen (Land und Kommunen) erhöhen sich in der Folge um 577 Millionen Euro. Hinzu kommen einmalige Investitionskosten in Höhe von 2,8 Milliarden Euro sowie ein Bedarf an 10 500 zusätzlichen Kita-Fachkräften – und die sind ohnehin schon recht knapp. Der Gemeindetag berechnete ein zweites Szenario durch mit einem Anstieg der Betreuungsquote um 31 Prozentpunkte auf dann 60 Prozent. Neben einem Anstieg der Betriebskosten um mehr als 1,6 Milliarden Euro und Investitionen in Höhe von fast acht Milliarden Euro wären in diesem Fall fast 30 000 zusätzliche Fachkräfte an den Kitas nötig. In den Kindertagesstätten im Land sind derzeit knapp 93 000 Personen beschäftigt. Die Elternbeiträge decken im Schnitt 20 Prozent der Betriebskosten ab.

Woher die Kita-Fachkräfte nehmen?

Ob mit oder ohne Gebührenfreiheit: Noch aus einem weiteren Grund wird die Kinderbetreuung für die öffentliche Hand teurer, das steht bereits fest: Die Geburtenzahl stieg in den vergangenen Jahren. Daraus ergibt sich ein Mehrbedarf an 37 000 Betreuungsplätzen für Kinder ab drei Jahren. Dies löst Mehrbetriebskosten in Höhe von 281 Millionen Euro aus, davon entfallen 45 Millionen Euro auf eine mögliche Gebührenfreiheit. Den demografisch bedingten Investitionsbedarf taxiert der Gemeindetag auf etwa 1,5 Milliarden Euro.

Gemeindetagspräsident Kehle zürnt mit der SPD: Wenn die Partei die Kommunen mit dem Hinweis beruhige, die Gebührenfreiheit betreffe sie nicht, dann handle sich um eine „unzulässige Verkürzung des Sachverhalts“. Allerdings wolle er über die Gebührenbefreiung auch nicht sagen, „dass das nicht geht“. Kehle mahnt: „Wir dürfen das Thema nicht isoliert diskutieren, wir müssen die Zusammenhänge sehen.“