Gut anderthalb Jahre nach ihrer Havarie soll die Costa Concordia am Montag aufgerichtet werden. Es ist die aufwendigste Schiffsbergung aller Zeiten. Die Techniker haben sich akribisch vorbereitet und sind guten Mutes. Nur: wie wird das Wetter?

Rom - Erster Appell: Montag sechs Uhr morgens. Die mächtigen Stahltrossen werden dann schon vorgespannt sein, die 56 Ketten auch, in denen jedes einzelne Glied vier Zentner wiegt. Dann wird, auf einem zum Kommandozentrum aufgerüsteten Kahn, wenige Meter vom Bug der Costa Concordia entfernt, Nick Sloane den Einsatzbefehl geben. Nichts wird man sehen, „denn damit nichts reißt, muss alles ganz, ganz langsam gehen, stetig und ohne Störung“, sagt der 52-jährige Südafrikaner, während sein Erklärfilm über die Leinwand ruckelt. „Und wenn wir einmal angefangen haben, gibt’s kein Zurück mehr. Dann müssen wir durch.“

 

Francesco Schettino war einmal. Jetzt ist Nick Sloane der „Comandante“ des Albtraumschiffs, das seit 20 Monaten vor Giglio liegt. Sloane birgt seit drei Jahrzehnten havarierte Schiffe in aller Welt. Das toskanische Projekt, sagt er, sei „von der Größe und der Lage des Wracks her die größte Herausforderung“. In 14 Monaten Arbeit hätten er und seine 500 Leute rund um die Uhr „einen schier unglaublichen Ingenieurplan umgesetzt“, sagt Sloane und fügt, äußerlich seelenruhig, hinzu: „Jetzt kann ich es gar nicht mehr erwarten, dass es losgeht.“

Ja, es kann auch schiefgehen, aber einen Plan B gibt es nicht

Losgehen, das versicherten alle auf der Pressekonferenz der italienischen Zivilschutzbehörde und des italienisch-amerikanischen Bergungsunternehmens Titan-Micoperi am Donnerstag in Rom, wird es vor Giglio, sobald das Wetter mitspielt. Wenn nicht am Montag, dann am Dienstag; wenn nicht am Dienstag, dann am Mittwoch. Entschieden wird jeweils so spät wie möglich: am fraglichen Vortag um 14 Uhr. Fest steht nur: Fertig werden wollen alle. „Herbst und Winter ist Scirocco-Zeit“, sagt Sloane: „Der kommt aus Südosten, bläst ungebremst auf die Insel zu und hat uns schon letztes Jahr mit hohen Wellen Schwierigkeiten gemacht.“ Und Franco Gabrielli, der oberste Zivilschützer des Landes, ergänzt: Ließe man das 300 Meter lange, vor sich hinrostende und sich verbiegende Wrack noch einen Winter liegen, „dann können wir es womöglich gar nicht mehr als Ganzes heben.“

Schiefgehen kann die Sache auch jetzt schon, das verschweigt Gabrielli keineswegs. „Wir haben auch die schlimmsten Möglichkeiten durchgespielt und alles zur Begrenzung von Umweltschäden vorbereitet.“ Nur eine zweite Chance, einen Plan B, gebe es nicht. Gewiss, der Rumpf könne unter dem starken seitlichen Zug aufreißen, „aber alle Daten sagen uns, dass das ein sehr entferntes Risiko ist“. Gewiss wird beim Aufrichten des Schiffs ein Teil des verdreckten und organisch verseuchten Wassers aus dem Rumpf auslaufen, aber „ein paar 1000 Kubikmeter haben wir schon abgepumpt und alles getan, um den ausfließenden Rest gleich aufzufangen“, sagt der Zivilschützer. Immerhin: die befürchtete Hauptgefahr existiert nicht, jedenfalls den Rechenmodellen nach. Sollte die Concordia ins Meer zurückfallen, besagen sie, wird der entstehende „Tsunami“ nur einen halben Meter hoch sein.

Die besten Leuten aus aller Welt sind hier gefragt

In Rom versichern sie mehrfach, für diese aufwendigste Schiffsbergung aller Zeiten hätten sie „das Beste und die besten Leute aus aller Welt“ zusammengeholt. Mit Bergungskosten von „600 Millionen Euro, Tendenz steigend“, rechnet die Genueser Reederei Costa, die das alles bezahlt, ihrem Vertreter Franco Porcellacchia zufolge. Geld sei bei den bisherigen Arbeiten kein Problem gewesen, sagt Sergio Girotto von Micoperi: „Nie hat man uns etwas aus finanziellen Gründen abgelehnt.“ Und in der gemeinsamen Pressemappe steht, Costa habe „aus Gründen des Umweltschutzes, der Sicherheit und des wirtschaftlich-sozialen Umfelds der Insel unter mehreren Bergungsangeboten das teuerste gewählt“.

Sobald Nick Sloane also den Befehl erteilt, werden landseitig und von den Stahlplattformen in 30 Metern Meerestiefe aus die Hydraulik-Maschinen anfangen zu ziehen. Und das Wrack? Wird es sich – das ist der heikelste Moment – von den beiden Granitspornen losreißen, die sich in seine Flanke gebohrt haben? Wenn ja, und wenn das Schiff von 65 auf 45 Grad Schräglage gehoben ist, müssen sich die Stahlcontainer links mit Wasser füllen und den Zug der Seile mit dem Schub des Gewichts unterstützen. Nach zehn oder zwölf Stunden könnte die Concordia senkrecht stehen.

„Wie sind Ihre Gefühle?“, fragt eine Journalistin den Micoperi-Mann Sergio Girotto. Der wird rot und antwortet: „Wir sind einfache Ingenieure. Fragen Sie uns nicht zu viel nach Gefühlen.“ Alles sei vorbereitet: „Wir haben Vertrauen in die Technik. Und wir hoffen, dass es klappt.“