Um die millionenschwere Verschrottung der Costa Concordia reißen sich etliche Häfen. Bis es so weit ist, könnte es aber noch etwas dauern. Der Bürgermeister von Giglio hat es nicht mehr eilig, berichtet unser Italien-Korrespondent Paul Kreiner.

Rom - Nur noch wenige Tage, dann beginnt vor der toskanischen Insel Giglio der Endspurt zur Hebung und zum Abtransport der Costa Concordia – doch genau jetzt geht dem Bürgermeister alles viel zu schnell. Mitte Juni, so haben ihm die Reederei Costa und der italienische Zivilschutz mitgeteilt, könnte Giglio befreit aufatmen. Beklagen sich die Insulaner denn nicht ohne Unterlass, das gestrandete Albtraumschiff versaue ihnen schon seit mehr als zwei Jahren den Tourismus?

 

Aber der Bürgermeister Stefano Ortelli will das Wrack noch über die Sommersaison behalten. „Zugunsten eines ungestörten Tourismus”, sagt Ortelli. Geben die Gigliesi also endlich zu, was die Betreiber der Fährschiffe schon seit jenem 13. Januar 2012 mit breitem Grinsen registrieren: dass noch nie solche Menschenmassen auf die Insel geströmt sind wie nach der spektakulären Havarie?

In der Tat zieht die Costa Concordia seit dem ersten Tag unzählige   Foto- und Tagestouristen an, Giglio aber – bis auf die Bars am Hafen – macht nicht viel Geschäft mit ihnen. „Die bringen ihre Picknickkörbe selber mit”, erzählt die frühere Tourismus-Chefin Samantha Brizzi. Die reichen, über Wochen bleibenden Hotel-, Villen- und Ferienhaus-Gäste sind dagegen um etwa ein Drittel zurückgegangen. Zum anderen befürchten manche   Insulaner erhebliche Umweltschäden bei der Hebung des Wracks: Im Rumpf befinden sich noch 250 000 Kubikmeter verseuchtes Wasser, und sollte das Schiff aufreißen, wären Granitklippen und Badebuchten fürs erste unbenutzbar. Die eigentliche Hebung – mit dem Gürtel aus dreißig Stahlcontainern als Schwimmreifen – dauert laut Angaben von Costa „sechs bis zehn Tage”; so lange bleibt jedenfalls die Hafenzone für Touristen tabu – und das mitten im Sommer.

Die Leute von Giglio fürchten um die Sommersaison

Außerdem sollen unmittelbar nach Verschwinden des Wracks die Arbeiten zur Sanierung des Meeresbodens beginnen: Das gewaltige Stahlskelett und das Betonbett, auf denen das Albtraumschiff derzeit ruht, sollen restlos entfernt werden. Das ist eine Arbeit über Monate, die den Einsatz von Baggern und Kränen, den Lärm von Motoren und womöglich – auch wenn die Räumungsteams exakt das Gegenteil versprechen – auch Dreck mit sich bringt. So gesehen hat der Vorschlag Ortellis, die dreihundert Meter lange Costa Concordia erst nach Ende der Saison im September abzuschleppen, durchaus seine Rationalität – auch wenn ihn viele seiner Bürger nicht teilen: „Weg mit dem Rost-Kahn!“, verlangt die Gemeinde-Opposition.

Hinter dem Streit um den Abschlepptermin stecken allerdings noch noch ganz andere Geschäftsinteressen als jene der kleinen Insel. Allein in Italien reißen sich vier Häfen darum, das Wrack verschrotten zu dürfen. Es geht um einen Auftrag von mindestens hundert Millionen Euro Umfang. Die Region Toskana sähe das Wrack gern in Piombino. Dort, gegenüber von Elba, geht gerade die alte Stahlindustrie unter; jeder Arbeitsplatz wäre willkommen. Allerdings müsste der Hafen für die Costa Concordia erst ausgebaut werden; das ist vor   vor September nicht zu schaffen. Die Forderungen des Bürgermeister Ortelli und des Regionalgouverneur Enrico Rossi, das Wrack so lange vor Giglio zu lassen, passen dazu nur zu gut.

Die Reederei Costa wiederum, in Genua ansässig, tendiert nach   plausiblen Zeitungsberichten zur Verschrottung in ihrer eigenen Nähe, in Ligurien. Dort scheinen die Häfen bereit zu sein. Außerdem existiert immer noch die „globale“ Option: Auch Häfen in Großbritannien, Norwegen, der Türkei haben sich beworben.