Das Amt für Revision der Landeshauptstadt prüft Verträge, Ausschreibungen und Abrechnungen der Stadt Stuttgart. In einem 130 Seiten starken Bericht nimmt es kein Blatt vor den Mund.

Mangelhafte Verträge, unnötige Mehrkosten, unter der Decke gehaltene Risiken – das Revisionsamt der Landeshauptstadt hat mit kritischem Blick und der nötigen Akribie das Geschäftsgebaren der Stadt, ihrer Betriebe und Geschäftspartner unter die Lupe genommen. Die Rechnungsprüfer legen mit ihrem Abschluss Ende 2022 den Finger in manche Wunde.

 

Stadt agiert als Bank

Viele Rücklagen gebildet Die Stadt bewegt jährlich rund drei Milliarden Euro, investiert viel, und sie ist nicht nur seit dem 2018 schuldenfrei, sondern erwirtschaftet Überschüsse. 2021 waren es rund 260 Millionen Euro. Die Stadt sammelt rund 599,4 Millionen Euro an Rücklagen für künftige Aufgaben (zum Beispiel die Opernsanierung) an. Sie gibt auch verstärkt, weil Verwahrzinsen bezahlt werden mussten, zu Bankkonditionen für sie lukrative Darlehen an die Eigenbetriebe. Inzwischen summieren sich diese Darlehen auf 400 Millionen Euro; mit weiteren 265 Millionen stehen die Eigenbetriebe bei Banken in der Kreide. Damit ist die Gesamtverschuldung zwischen den Jahren 2019 und 2021 um 40 Millionen Euro reduziert worden.

Finanzspritzen sind notwendig Ein seit Jahren wiederholter Kritikpunkt ist die Übertragung von Investitionsmitteln. Dass die vom Gemeinderat beschlossenen Investitionen schleppend umgesetzt werden, ist ein wachsendes Problem. 2015 lag die Summe bei einer halben Milliarde Euro, 2021 bereits bei 963 Millionen. Die Inflation schrumpft diese Zahlen laut dem Amtsleiter Andreas Großmann. Mit den übertragenen Mitteln könne in den Folgejahren „immer weniger realisiert werden“. Sprich: Was zwar bereits beschlossen worden ist, kann dann ohne Finanzspritze nicht mehr vollständig realisiert werden.Eines der größten Bauvorhaben ist die Sanierung und Zusammenführung des städtischen Klinikums an zwei Standorten. Das rechtlich als Kommunalanstalt organisierte Klinikum schloss das Jahr 2021 mit einem Defizit von 21,5 Millionen Euro. Aktuell gewährt die Stadt 50 Millionen Euro, um die Liquidität zu sichern. Die Rechnungsprüfer sehen die Baustelle Klinikum kritisch, nicht nur, weil die Fertigstellung nicht mehr bis 2028 geschafft werden könne, sondern auch, weil „eine treffsichere Prognose der Gesamtkosten derzeit praktisch unmöglich“ sei. Dem Gemeinderat gegenüber müsse das „deutlich dargelegt werden“.

Inflation schrumpft Investitionsmittel

Klinikum wird näher betrachtet

Unrealistische Baukostensteigerungen? Die bisher angenommene jährliche Baukostensteigerung von zwei Prozent sei nicht realistisch. Statt 34 Millionen müsse mit „mehr als 100 Millionen Euro Mehrkosten“ gerechnet werden. Unterstellt wurde von den Prüfern bis 2028 eine jährliche Steigerungsrate von fünf Prozent. Im Lagebericht zum Abschluss 2020 habe das Baukostenpreisrisiko gefehlt. Die Prüfer empfehlen eine „bessere Berichterstattung an den Verwaltungsrat“. Ihr Wirken sparte laut Bericht Geld, weil ein aus Sicht der Prüfer überhöhtes Honorar für einen Neubau am Katharinenhospital um 350 000 Euro reduziert und durch verbesserte Vertragsgestaltung bis zu zehn Millionen Euro Risiko bei Honoraren „weitestgehend ausgeschlossen“ werde konnte. Die Verträge hatte eine Wirtschaftskanzlei im Auftrag des Klinikums ausgearbeitet.

Handlungsbedarf „Handlungsbedarf“ sehen die Prüfer beim Personalaufwand im Klinikum. Der sei, anders als im Vergleich mit anderen Maximalversorgern, prozentual stärker gestiegen als die Umsatzerlöse. Bei den Abrechnungsprüfungen der Krankenversicherer verlor Stuttgart im Vergleich den Anschluss an das Mittelfeld. Nur die Rems-Murr-Klinik und die Sportklinik Stuttgart hatten im vierten Quartal 2021 noch mehr beanstandete Abrechnungen. Maßnahmen zur Verbesserung seien eingeleitet worden. Ein Auge hatten die Prüfer auch auf die Kioske und das Patienten-Café im Klinikum. 2018 lag ihr negatives Ergebnis bei 541 000 Euro, 2020 bei 1,2 Millionen. Die Betreiber reagierten 2020 auf die Coronapandemie mit geringerem Wareneinkauf, doch der Personalaufwand stieg.

Selbst Kioske in der Revision

Strittige Entsorgungskosten

Im Visier: Hoch- und Tiefbauarbeiten Ein weites und offenbar ergiebiges Feld sind für die Prüfer allein schon wegen der bewegten Summen die Hoch- und Tiefbauarbeiten der Stadt. So monieren sie vermeidbare Mehrausgaben durch die Änderung des Entwurfs für die neue Sporthalle an der Falkertschule im Stuttgarter Westen von 200 000 Euro. Beim Abbruch des Betriebsgebäudes der Abfallwirtschaft in Wangen sind Entsorgungskosten von 73 892,25 Euro strittig, bei dem der SWR-Gebäude bei der Villa Berg im Stuttgarter Osten konnten die Prüfer 92 000 Euro sichern, bei der Reinigung der Brunnen in der Stadt kritisieren die Prüfer das Vorgehen des Tiefbauamtes, das einen Vertrag kündigte, nach der Ausschreibung aber den bisherigen (und einzigen) Anbieter ins Boot holen musste. „Durch die neue Ausschreibung entstehen der Stadt Mehrkosten von jährlich 130 000 Euro“, so die Prüfer.

Förderprogramm mit Mängeln

Kritik an Förderprogramm Auch ein Förderprogramm geriet ins Visier: das für Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher (MME-Programm). Dabei fehlte nicht nur eine einheitliche Vorgehensweise bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens. Weil Regelungen fehlten, konnten bei einem Haushalt „Sparguthaben im Wert von rund 199 000 Euro“ nicht berücksichtigt werden, in einem anderen Fall verfügte der geförderte Haushalt sogar über Wohnungseigentum. Nun sollen die Anträge angepasst werden.