Die Nazis wollten die Menschen auch mit Hilfe der Architektur indoktrinieren. Das taten sie in viel mehr Bereichen, als man bisher dachte, wie eine Ausstellung in Berlin nun zeigt. Die Wohnung etwa, sollte den „Willen zum Kind stärken“.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Manchmal braucht es nicht viele Worte. Da steht man vor einem Gebäude und spürt sofort, wo sein Platz auf dieser Welt ist. Je monumentaler die Bauten, desto unbedeutender das Menschlein. In der nationalsozialistischen Diktatur war die Architektur ein Mittel, um die Macht des Staates zu symbolisieren. Seither weiß man, dass monumentale Formen, strenge Symmetrien, dicke Säulen oder aufschneiderische Treppenaufgänge nicht harmlos und unschuldig sind.

 

NS-Architektur kam nicht nur aus dem Büro von Albert Speer

Wenn es um Nazi-Architektur geht, sind die prägnantesten Beispiel schnell zur Hand: das Haus der Kunst in München, das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und das Olympiastadion in Berlin. Die Ausstellung „Macht Raum Gewalt“ in Berlin zeigt aber, dass sich die NS-Ideologie an vielen Feldern der Architektur ablesen lässt – ob es sich um Baracken handelte, Bunker oder Wohnhäuser.

Die Ausstellung ist das Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojekts einer unabhängigen Historikergruppe und wird dort gezeigt, wo Albert Speer als „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ Hitlers Pläne ausarbeitete – in der Akademie der Künste. Speers Dienststelle wuchs rasant, wobei Speer die „Führeraufträge“ über sein privates Büro abrechnete, das ein paar Häuser weiter lag. Ein klarer Fall von Korruption, wie es in der Ausstellung heißt.

Der Mensch als Teil der Gruppe

Bei NS-Architektur denkt man meist an Speers repräsentative Staatsbauten. Doch der „einheitliche Wille im deutschen Bauschaffen“ äußerte sich auf vielerlei Weise – und lässt sich nicht auf ästhetische Merkmale reduzieren. Vielmehr verbindet die Projekte die Vision einer rassisch grundierten nationalen Identität, die den Menschen als Teil von Gruppen definiert. Auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg geht das Individuum auf in der überwältigenden Masse. 250 000 Menschen fasste die Kundgebungsstätte, auf der 340 Meter langen Haupttribüne war Platz für weitere 100 000 Menschen.

Auch in der Freizeit trägt man Uniform

Die Idee der Kollektive lässt sich auch an den lagerähnlichen Strukturen ablesen. Da sind nicht nur die Barackenlager für Millionen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, die Konzentrations- und Vernichtungslager. Auch die Hitlerjugend und der Bund deutscher Mädchen treffen sich in Lagern. Arbeiterweiterbildungen und Verbandstreffen finden in Lagern statt, in denen die Bevölkerung nicht nur ideologisch indoktriniert, sondern auch die Militarisierung der Gesellschaft vorangetrieben wird. Sogar in der Freizeit und bei den organisierten Ferien trägt man nun Uniformen und tritt an zum Fahnenappell.

Bauen im Sinne des NS hatte viele Aspekte: Bunker, Atlantikwall und „Weltflughafen Tempelhof“. Hier die neuen „Reichsautobahnen“, dort der Wohnungs- und Siedlungsbau. Gottfried Feder, ein linientreuer Bauingenieur mit Hitlerbärtchen wird 1934 „Reichskommissar für das Siedlungswesen“. Er ist allerdings ein Gegner der Großstadt und propagiert eine Dezentralisierung von Wohnen und Leben. Damit wird er untragbar – und Hitler schiebt ihn ab.

Das Satteldach galt als Ausdruck von Heimat

Eine einheitliche Baukultur, heißt es in der Berliner Ausstellung, setzte sich nicht durch, im Gegenteil herrschte gerade beim Wohnen extreme Vielfalt und konnten Architekten vielfältig tätig werden – gerade auch im privaten Wohnungsbau. Architekten wie Egon Eiermann und Hans Scharoun versuchten sogar, an die Moderne anzuknüpfen. So hängt man hier einer heimattümelnden Architektur mit Satteldach und Klappläden an und propagiert dort eine neue, schlichte Wohnkultur. Die Vierraumwohnung mit 72 Quadratmetern sollte den „Willen zum Kind“ stärken.

Die Ausstellung wurde leider nicht fürs Publikum aufbereitet

Das Thema ist extrem komplex, zumal die Ausstellung auch zeigen will, wie man in BRD und DDR mit den NS-Bauten umging. Umso wichtiger wäre es gewesen, das Publikum nicht mit gigantischen Textmassen zu überfrachten, sondern die zahllosen Forschungsergebnisse so aufzubereiten, dass sich greifbare Inhalte ablesen lassen. Stattdessen wurden denn auch 150 Biografien von Architekten der Zeit nebeneinander gehängt – und muss jeder selbst nach den so genannten Kontinuitäten suchen und den jüdischen Architekten, die nach dem Krieg ihre Posten nicht zurückbekamen, während etwa der Stuttgarter Gerhard Ziegler nach seiner NS-Karriere 1966 das Große Bundesverdienstkreuz erhielt für sein Wirken in Baden-Württemberg.

Geschichtsträchtiger Ort

Ort
Von 1937 an arbeitete Albert Speer in den Räumen der Berliner Akademie der Künste und plante hier die monumentale Neugestaltung deutscher Städte. 2005 erhielt die Akademie an gleicher Stelle einen Neubau von Günter Behnisch – direkt neben dem Hotel Adlon.

Ausstellung
bis 16. Juli, geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 bis 19 Uhr, Eintritt frei. adr