El Greco, Velázquez, Murillo – die Berliner Gemäldegalerie feiert mit einer fulminanten Ausstellung das Goldene Zeitalter der spanischen Kunst.

Berlin - Hell strahlt das Blau ihres Kleides, lang dreht ihr Körper sich zum Licht hin. Purpurrot leuchten die Ärmel, die sich weich um ihre gekreuzten Arme fälteln. Den Blick hat Maria entrückt gen Himmel gerichtet. Die über ihr schwebende Taube breitet weiß die Flügel aus und ergießt ihren gelben, heiligen Schein über das Haupt der Jungfrau, um das sich Puttenköpfe im Kreis reihen und Engel musizieren. Mit pastosem Pinselstrich sind die Lichter auf Farben und Schatten gesetzt, als würden sie der Moderne vorwegglänzen. So kühn, so hoch, so hell, fast grell, überwältigend und wie von innen strahlend, jeglichen Fluchtpunkt negierend, hat die „Unbefleckte Empfängnis“ nur einer gemalt: El Greco. Jener Grieche aus Kreta, der in Spanien Skandale provozierte, während er zur Vollendung seiner Kunst fand. Selbst Verächtern dieser überdrehten, übersteigerten Malerei wird es schwerfallen, sich dem Sog seines jenseitigen Seinszustands zu entziehen.

 

Nun gibt El Grecos „Inmaculada Oballa“ von 1613 den fulminanten Auftakt zur großen Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie über das Goldene Zeitalter der spanischen Kunst. „El Siglo de Oro – Die Ära Velázquez“ umspannt das 17. Jahrhundert und führt zu wahren Entdeckungen und Preziosen. Die Epoche geht über den Hofmaler Velázquez hinaus, der mit seiner Porträtkunst nicht nur der Königsfamilie ein so glanzvolles, die Jahrhunderte überdauerndes Ansehen verliehen hat. Zum ersten Mal überhaupt ist das Ausmaß dieser Ära in weiten Spannungsbögen ausgebreitet. Gezeichnet war sie vom politischen Niedergang und Zerfall eines weltumspannenden Imperiums. Den Malern, Bildhauern und Dichtern verschaffte sie indes Raum zur Emanzipation. Diese wussten sich folglich von den großen italienischen Vorbildern zu lösen, wie der Venezianer Tizian, dessen Selbstbildnis von 1560 nun auch hier hängt. Zugleich beginnt der gesellschaftliche Aufstieg vom Handwerker zum Künstler.

Ekstatischer Schmerz, entrückte Heilige

In ihren Werken bricht sich eine neue Wirklichkeitsdrastik Bahn. In diesem Reich der extremen Gegensätze, wo religiöse Intoleranz und Inquisition jegliche intellektuelle Freiheit einengen und der Klerus neben dem Königshaus wichtigster Auftraggeber wird, wo die fanatisch frommen und mit der Gegenreformation aufblühenden Mönchsorden das religiöse Feuer schüren, da antworten sie mit in Ekstase entrückten Heiligen und das Leiden sublimierenden Mönchsdarstellungen. Mit Gekreuzigten und Gemarterten, gemalt und gemeißelt, die plastisch ihre klaffenden Wunden herzeigen, sowie mit Peinigern, die den Hammer schwingen und den Nagel ins Fleisch treiben, auf eine Art, dass der Anblick heute noch schmerzt. Auf Armut und Pest reagieren sie ganz profan mit Genrebildern, sie zeigen Bettler, Säufer, Bauern, prall gefüllte Teller und hungrige Kinder, wie etwa der hochtalentierte Maler Murillo in „Die Pastetenesser“ von 1670.

Überwältigt steht man schließlich vor der theatralisch ins Scheinwerferlicht gerückten, 400 Jahre alten Skulpturengruppe „Der Gang zum Kalvarienberg“. Als würden die geschnitzten Figuren auf dem Podest noch pulsieren, die Falten ihrer Kleider noch vibrieren in der Drastik des Ereignisses, ist Christus in ihrer Mitte unter der Last des Kreuzes zusammengebrochen. Geschaffen hat die lebensgroßen Figuren der Bildhauer Gregorio Fernández 1614/15. Dramatisch schälen sie sich aus dem dunklen Raum und waren doch erst vor kurzem zur Karfreitagsprozession durch Valladolid geführt worden, bevor sie ihre Reise nach Berlin antraten. Im selben Raum und klug von den Kuratoren María López-Fanjul y Díez del Corral und Roberto Contini in Beziehung gesetzt, hängt eine Preziose von Francisco de Zurbarán: das 1658 in Trompe-l’œil-Manier gemalte Schweißtuch der Veronika. Die sinnliche Stofflichkeit, das vage erkennbare Gesicht des Dornengekrönten ist durchwirkt von der Mystik der Zeit. Die malerischen Mittel sind indes sparsam angewendet.

Der Liebling des Königs

Zurbarán hatte in Sevilla, der florierenden, regen Handel mit der Neuen Welt treibenden Hafenstadt, die zur Kunstmetropole Andalusiens wurde, seine Ausbildung in der Werkstatt des Malers Pedro Díaz de Villanueva genossen. Der fast gleichaltrige Diego Velázquez, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband, lernt hingegen bei Francisco Pacheco. Beide, Pacheco und sein Schüler und Schwiegersohn Velázquez, 1599 in Sevilla geboren, nehmen eine Schlüsselrolle ein in dieser Blütezeit der spanischen Kunst. Der eine als Kunsttheoretiker mit seinem Traktat „Arte de la Pintura“, das 1649 posthum erschien. Der andere als mächtigster Künstler und hochdekorierter Beamter am Madrider Hof König Philipps IV. (1605–1665). Der wiederum schätzte Velázquez’ Begabung früh und ermöglichte ihm bis zu dessen Tod 1660 alles. Der Künstler wusste dies zu nutzen, er fand zu großer malerischer Freiheit. Wie unverstellt und gelöst wirkt da selbst der Kriegsgott Mars, den er nackt und nur mit Helm bekleidet darstellte.

Das enge Verhältnis von Lehrer und Schüler zeigt sich auch in dem kleinen dunklen Porträt mit der duftigen Halskrause, mit dem Velázquez seinen Meister verewigte. Es hängt nun über einer kleinen Vitrine, in der Pachecos Buch aufgeschlagen liegt. Aus der Sevillaner Schule erwuchsen weitere Künstler, die man außerhalb Spaniens bisher kaum kannte. Der Maler, Bildhauer und Architekt Alonso Cano etwa, ein Freund von Velázquez. Seine Zeichnung des heiligen Sebastian ist mit virtuoser Feder umrissen. Sie hat ihren Platz in dem feinen Grafikkabinett gefunden, zusammen mit Riberas verbundenem Kopf eines Jünglings oder Murillos ungewöhnlicher Himmelfahrt Mariens. Erlebtes Helldunkel und voller Erkenntnisse – eine Schau, die nachwirkt.

Bis 30. Oktober, Di, Mi, Fr 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Sa, So 11–18 Uhr.