Asylsuchende halten ein Haus besetzt, die Politik agiert hilflos. Nun ist eine Lösung gefunden, eine Räumung des Gebäudes scheint vom Tisch.

Berlin - Mehr als eine Woche war der grün regierte Berliner Bezirk Kreuzberg wie gelähmt von einem Konflikt, den gerade hier im linksalternativen Milieu viele nicht für möglich gehalten hätten. Etwa 40 Flüchtlinge halten dort die Gerhart-Hauptmann-Schule besetzt, ein sehr sanierungsbedürftiges Gebäude, das leer stand und in dem seit etwa zwei Jahren mehr als 200 Menschen lebten – Flüchtlinge, aber auch Wohnungslose und Roma unter menschenunwürdigen Bedingungen.

 

Vor einer Woche misslang nach langen Verhandlungen zwischen dem verantwortlichen Baustadtrat und den Flüchtlingen eine „freiwillige Räumung“: zwar verließ die Mehrheit das Gebäude und zog in andere Unterkünfte um. Etwa 40 Menschen aber weigerten sich, die Schule zu verlassen – aus Angst vor sofortiger Abschiebung.

Seitdem harrten die Besetzer mit politischen Unterstützern auf dem Dach aus, bis ihre Forderung nach einem Bleiberecht erfüllt wird. Viele von ihnen sind als Asylbewerber abgelehnt, ob sie eine Duldung erhalten, ist unklar. Einige von ihnen drohten für den Fall einer Räumung damit, vom Dach zu springen. Dass dies keine leere Ankündigung war, kann jeder nachvollziehen, der die Videobotschaften der Geflüchteten sieht.

Die Schule wurde in den vergangenen Tagen rund um die Uhr von hunderten Polizisten abgeriegelt, Straßen waren dicht, Anwohner litten unter dem Ausnahmezustand. Die Absperrung sollte verhindern, dass neue Flüchtlinge nachrücken. Unterstützer demonstrierten und lagerten rund um die Uhr vor der Schule. Die Polizei räumte teilweise im Stundentakt Sitzblockaden.

Unerträgliche Zustände in dem Haus

Am Mittwoch dann ein überraschender Kompromissvorschlag: Die Flüchtlinge dürfen in einem abgegrenzten Bereich der Schule bleiben, weitere Flüchtlinge dürfen allerdings nicht kommen. Nach langem Ringen unterschrieben die Besetzer am Abend den Kompromiss, der Bezirk nahm die Räumungsaufforderung zurück.

Politisch ist das Geschehen eine Art Sündenfall für die Grünen und ihre Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann, die in der Krise handlungsunfähig wurden – weil der Widerspruch zwischen den eigenen Idealen und den Notwendigkeiten als politisch Verantwortliche in der Wirklichkeit sie lähmt. Traditionell stehen die Grünen auf Seiten der Flüchtlinge. Nicht umsonst landeten 2012 Asylbewerber aus der ganzen Republik hier und errichteten auf dem Oranienplatz ein politisches Camp, das vom Bezirk geduldet und von Anwohnern und Politikern in seinen Forderungen unterstützt wurde. Wenig später wurde die Schule besetzt. Immer mehr Menschen zogen nach. Nach Angaben der Polizei kamen auch etliche der Drogendealer aus dem benachbarten Görlitzer Park hier unter. Die Zustände im Haus waren unerträglich – hygienisch und menschlich. Eine Dusche musste für hunderte Menschen reichen, es kam zu Gewalt, sexueller Belästigung, bei einer Messerstecherei starb ein Mann.

Für die Grünen wird der Fall ein Nachspiel haben

Wochenlange Verhandlungen brachten nichts, eine Räumung lehnten die Grünen bisher ab. Schließlich sperrte die Polizei vergangene Woche auf Wunsch des Baustadtrates Hans Panhoff das Gelände. Seitdem herrschte das immer unerträglicher werdende Patt. Die Bürgermeisterin tauchte teils ab, der CDU-Innensenator Frank Henkel weigerte sich mit den Flüchtenden zu reden, diese wiederum lehnten Verhandlungen außerhalb des Gebäudes ab. Am Dienstag eskalierte die Situation, als der Polizeipräsident öffentlich mit Abzug drohte, falls die Polizei nicht um Räumung gebeten werde. Diesem sehr speziellen Ultimatum gab der Baustadtrat nach und bat um Räumung – allerdings lag er damit konträr zu seiner Partei. Die Aufregung vor Ort legte sich etwas, als die Polizei eine Räumung zunächst ausschloss. Am Mittwoch wurde nun heftig verhandelt.

Politisch wird der Fall ein heftiges Nachspiel für die Partei haben – der Rücktritt der Bürgermeisterin erscheint vielen überfällig. In Kreuzberg werden die Grünen viele Wählerstimmen einbüßen.