Die Berlinale ist Glamour pur. Es geht aber auch um ums Verkaufen: sich selbst, sein Projekt und natürlich seinen Film.

Berlin - Showtreppen geht man hinunter und nicht hinauf, mit gekreuztem Bein, das sieht gut aus und macht schlank. Aber was will man machen? Der Ballsaal des Ritz in Berlin liegt nun mal leider im ersten Stock. Senta Berger meistert den Aufstieg mit Grazie und ohne Geländer. Dahinter zwei nahezu volljährige Storchbeinige - ein Stöckeldrama auf weiß poliertem Marmor. Frau Berger trägt gehbares Schuhwerk und vor allem: ein Strahlen. Sie kennt eben das Geschäft.

Einmal im Jahr landet dieses Geschäft in Berlin wie ein Raumschiff, und alle steigen aus: Schauspieler, Regisseure, Filmjournalisten, Set-Designer, Rechtehändler, Juristen. Produzenten, die um sechsstellige Beträge verhandeln wie um ein Pfund Karotten. Filmemacher mit null Erfolg und null Geld, schlecht geschnittenem Haar und sehr politischen Ideen. Stars aus Hollywood, die sogar für ihren Hund einen Stylisten einfliegen. Und ein Sternchen aus München, das zwar noch keinen Film hat, aber dafür hellblonde Extensions, die doppelt so lang sind wie der lachsfarbene Rock. Es ist Berlinale, und das bedeutet 1400 Filme in zehn Tagen, das bedeutet Kino, natürlich, aber auch verkaufen: sich, sein Projekt, seinen Film. Oder wenigstens die Rechte für DVDs.

Frau Berger ist jetzt oben angekommen, ihr Augenlider zucken nicht einmal unter dem migränischen Flackern der Blitze. So sieht er aus, der erste Kilometer des Partymarathons - Empfänge, Meetings, Lunch mit dem Herrn Produzenten. "Was mich am meisten aufregt", sagt Frau Berger, "das ist, wenn ich lese: die Branche feiert sich. Ist doch der totale Blödsinn." Ein bisschen sieht es allerdings schon so aus: Im Saal steht der halbe deutsche Film, man begrüßt sich, Küsschen links, Küsschen rechts, und schreit dem Gegenüber Komplimente ins Ohr: "Super siehst du aus." Und: "Ich hab dich gesehen in ...! Wie du dieses Sterben gespielt hast, also wunderbar." Das, sagt Frau Berger, ist Arbeit. "Wir treffen uns, wir reden, wir planen." Am Mittag war sie noch bei einer Vertragsunterzeichnung mit einem Weltvertrieb.

6000 Filmprofis aus aller Welt schauen auf der Berlinale vorbei


Thorsten Ritter hat etwa um die gleiche Zeit im Martin-Gropius-Bau gesessen und mit einem Produzenten geredet. Der Gropiusbau ist eigentlich ein Museum, nur ein paar Meter vom Berlinale-Palast entfernt. Aber nicht jetzt: jetzt riecht es nach dem Teppichkleber der Messebauer und Espresso aus kleinen Maschinen. Dies hier ist der European Film Market.

Am Eingang verteilt eine junge Dame die neueste Ausgabe des "Hollywood Reporter", aber der Glamour ist einen Atlantik weit entfernt. Hier ist das Backoffice der Glitzerwelt. Drinnen stehen Menschen in Jeans hinter Messeständen. Es dominieren Augenringe und flache Schuhe. Während der Berlinale schläft keiner länger als ein paar Stunden. Jedes Abendessen ist ein Arbeitsessen. Ohne diese Arbeiter aus den Traumfabriken würde kein Leinwandheld geboren. 6000 Filmprofis aus aller Welt schauen vorbei, 400 Firmen legen ihre Ware aus wie Bauern ihr Gemüse. Mehr als 1000 Filme werden gezeigt. Dazu kommen geheime Vorstellungen für ein handverlesenes Publikum - in Hotelsuiten, wo die großen Studios ihre Dependancen einrichten.

"Head of Bavaria Film International" steht auf Ritters Visitenkarte. Für ihn und seinen Weltvertrieb geht es in diesen Tagen vor allem um eins: verkaufen und kaufen. Ritter und seine Leute suchen jeweils den passenden Verleih für ihre Filme. Und sie suchen die passenden Ideen für ihren Vertrieb. Es geht um Rechte und um Territorien - da wird ein Stück vom Filmkuchen nach Japan verkauft und eins nach Benelux, der eine kauft nur Film, der andere auch Fernsehen, DVD oder Video on Demand. Und natürlich werden - sehr oft - Filme ge- und verkauft, die noch gar keine sind. Es geht um Träume, Ideen, Projekte.

Die Händler kommen von überall - viele Firmen haben für unterschiedliche Regionen jeweils Fachleute von dort. Es scheint so zu sein, dass tatsächlich die Einheimischen den Geschmack ihrer Landsleute am allerbesten erspüren können. Wer das gut erklären kann, ist zum Beispiel Herr Suzuki, der für einen Vertrieb mit japanischen Kunden spricht: "Gut gehen Filme über Hitler, Brahms, Mahler, Goethe. Namen, die man bei uns kennt."