Am 11. Februar wird der rote Teppich ausgerollt: Dann ist die Hauptstadt wieder im Berlinale-Fieber. Was Ehrengäste und Kinopublikum auf und vor der Leinwand erwartet, erklärt Festivaldirektor Dieter Kosslick.

Das Staraufgebot ist wieder groß bei der Berlinale. Bei allem Glanz und Glamour werden politische Themen und die Krisen auf der Welt aber nicht ausgeblendet, sagt der Festivalchef.

 
Herr Kosslick, Sie sitzen hier so gemütlich am Potsdamer Platz. Aber wer weiß, wie lange noch. Die Stage Holding schließt das Musical Theater, das sich jedes Jahr in den Berlinale-Palast verwandelt. Kann es sein, dass Sie bald umziehen müssen?
Also, es stimmt, die Stage Holding macht hier Pause, davon wurden wir überrascht. Aber wir haben einen Vertrag bis 2018. Was danach kommt, ist eine andere Frage, denn der Platz wurde hier von neuen Investoren stündlich weiterverkauft. Jetzt gibt es mit Brookfield einen Rieseninvestor, der Stabilität bringen möchte und die Berlinale respektiert.
In knapp zwei Wochen beginnt das Festival. Zur Eröffnung brennen Sie gleich das ganz große Feuerwerk ab, mit Stars im Dutzend auf dem roten Teppich.
Ja, es hat noch keiner abgesagt. Es wird eng auf dem roten Teppich. Bei „Hail Caesar“ von den Coen-Brüdern ist Amusement garantiert. Erzählt wird eine turbulente Geschichte über das Studiosystem von Hollywood in den Fünfzigern, eine Entführung und einen Spindoctor; und auf einer zweiten Ebene hat der Film eine philosophische Qualität. Viele vergessen, dass in den Studios auch ein ideologischer Kampf geführt wurde. Und da wird auch im Film schon ziemlich deutlich die Systemfrage gestellt.
Allein am Eröffnungsabend werden Stars wie George Clooney, Tilda Swinton, Josh Brolin und natürlich die Jurypräsidentin Meryl Streep erwartet. Liegt Ihnen so viel Glamour und Zuckerguss nicht ein bisschen quer im Magen, angesichts des alles überwölbenden Themas der Flüchtlingskrise?
Wir haben das Festivalprogramm dieses Jahr teilweise anders zusammengestellt als sonst. Sagen wir, wir sind uns der Weltlage, in der wir stecken, auch mit Blick auf den roten Teppich bewusst. Ich glaube, wir haben eine Berlinale, die nichts mit Party und Feuerwerk zudeckt. Aber es wird nicht traurig. Wir haben tolle Komödien, zum Beispiel Saint Amour mit Gerard Depardieu. Aber wir spiegeln auch die verschiedenen Felder der gesellschaftlichen Debatte wider. Zum Beispiel zeigen wir im Wettbewerb das Drama „Chi-Raq“ von Spike Lee, der ja gemeinsam mit anderen schwarzen Künstlern dieses Jahr die Oscars boykottiert, weil dort nur weiße Schauspieler nominiert wurden.
Inwiefern spielt das Thema Flüchtlinge auf der Berlinale eine Rolle?
An sehr vielen Stellen. Zum ersten Mal rufen wir als Festival zu Spenden auf, die dem Behandlungszentrum für Folteropfer zukommen, das Traumatisierten hilft. Außerdem haben wir ein Patenschaftsmodell mit verschiedenen Initiativen und ermöglichen es so Ehrenamtlichen, gemeinsam mit Geflüchteten Filme anzusehen. Und es erhalten in Kooperation mit dem Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migranten einige Geflüchtete die Möglichkeit, in verschiedenen Bereichen des Festivals zu hospitieren und so die Festivalarbeit kennenzulernen.
Und im Kino?
Leider muss man sagen, dass Flüchtlinge uns schon länger beschäftigen – zum Beispiel 2003, als im Gewinnerfilm „In this World“ von Michael Winterbottom Menschen in einem Container erstickten und wir alle von dieser Erzählung geschockt waren. Und zwölf Jahre später sehen wir nun in den Nachrichten diesen Kühlwagen in Österreich voller Leichen. Die Entwicklung ist dramatisch. Wie in einer Nussschale zeigt das der italienische Wettbewerbsbeitrag „Feuer auf dem Meer“. Der Regisseur lebte einige Jahre auf Lampedusa, um den Film zu machen. Der Film ist nicht einfach nur ein Dokumentarfilm über das grässliche Leiden erstickter oder ertrunkener Menschen. Es ist ein Film über das Nebeneinander der Welten, mit einer Parallelgeschichte eines kleinen Jungen, der dort aufwächst. Und irgendwie bleibt einem diese Geschichte hier im Halse stecken, weil man merkt, was es bedeutet, wenn man seine Heimat liebt und verliert.