Berlinale Massive Kritik an genderneutralen Bären

Als eines der ersten großen Filmfestivals will die Berlinale Schauspieler nicht mehr getrennt nach Geschlecht auszeichnen. Manche in der Filmbranche befürchten, dass Frauen nun schlechtere Chancen haben könnten.
Berlin - Die Entscheidung der Berlinale, Schauspieler nicht mehr getrennt nach Geschlecht auszuzeichnen, ist in Teilen der Filmbranche auf Kritik gestoßen. Die Einführung der neuen Preise sei ein „Feigenblatt für Innovation“, teilte Barbara Rohm vom Gleichstellungsbündnis Pro Quote Film am Dienstag mit. Bisher seien die Filmfestspiele in Berlin von Gendergerechtigkeit weit entfernt.
Im Wettbewerb der Berlinale wurden bisher die „beste Darstellerin“ und der „beste Darsteller“ geehrt. In Zukunft sollen Silberne Bären für die beste Leistung in einer Haupt- und einer Nebenrolle vergeben werden. Die Festivalleitung sprach von einem „Signal für ein gendergerechteres Bewusstsein in der Filmbranche“.
Frauen fürchten den Konkurrenzkampf
Der Verein Pro Quote kritisierte, im Wettbewerb liefen viel mehr Filme von Männern als von Frauen. In der Filmbranche seien zwei Drittel der Rollen für Männer geschrieben, das gelte auch für Arthouse-Filme. Das heiße, dass Schauspielerinnen in Zukunft einem weiteren Konkurrenzkampf ausgesetzt seien.
„Echte Innovation schafft Raum und Sichtbarkeit für Vielfalt und bringt sie nicht noch mehr in Konkurrenz zueinander“, erklärte Rohm, die Vorsitzende des Bündnisses ist. „Warum wird nicht ein Preis für gendersensible Darstellung hinzugefügt?“
Weniger weibliche Rollen als männliche
Auch der Bundesverband Schauspiel (BFFS) sieht die Neuerung kritisch. Er argumentiert etwa mit Studien zum Fernsehen: Immer noch seien weibliche Rollen in deutschen Filmen weniger präsent als männliche. „In dieser Situation den Preis für weibliche Rollen abzuschaffen, wird dazu führen, dass Schauspielerinnen für ihre Leistungen künftig ähnlich wenig gewürdigt werden, wie es bereits jetzt bei den Frauen in den anderen Kategorien der Fall ist“, teilte Vorstandsmitglied Klara Deutschmann mit.
Die Verbandschefin Leslie Malton erklärte am Dienstag in Berlin: „Die Berlinale versucht mit ihrer Entscheidung politisch korrekter zu sein als korrekt und erweist den wichtigen Zielen zur Erreichung von Gender- und Diversitätsgerechtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes einen Bärendienst.“
Von Gleichberechtigung meilenweit entfernt
„Um mehr gendergerechtes Bewusstsein in der Branche zu erreichen und ein Signal zu setzen, müssen die derzeit benachteiligten Geschlechter sichtbarer werden“, betonte Malton. „Aber die Streichung der Geschlechterkategorien führt zum Gegenteil.“ Die deutsche Filmindustrie habe erst vor wenigen Jahren begonnen, geschlechterspezifische Benachteiligungen von Frauen als Problem anzuerkennen, sei aber von gelebter Gleichberechtigung meilenweit entfernt.
„Natürlich müssen wir uns auch für die Anliegen und Sichtbarkeit der Kolleg*innen einsetzen, denen wir mit der Verengung auf zwei Geschlechter nicht gerecht werden“, sagte ihr Vorstandskollege Antoine Monot Jr.. Sie seien derzeit in den Geschichten, die Filme erzählten, nicht genügend präsent. „Aber unser Engagement darf nicht auf Kosten der Gleichberechtigung von Frauen gehen. Damit ist niemandem gedient“, erklärte Monot.
Unsere Empfehlung für Sie

Petra Bewer von der Antiquaria Ludwigsburg „Das Besondere wird immer gesucht“
Die Antiquaria und die Stuttgarter Antiquariatsmesse können nicht live stattfinden. Petra Bewer lässt sich davon nicht verschrecken – die vergangenen Monate haben sie etwas Wichtiges gelehrt, wie sie im Interview verrät.

Diskussion im Literaturhaus Stuttgart Brauchen wir noch Helden?
Die Schriftstellerin Anne Weber und der Soziologe Ulrich Bröckling haben im Literaturhaus über einen umstrittenen Typus diskutiert.

Jochen Busse wird 80 Hundeblick und viel Ehrlichkeit
Schauspieler, Kabarettist, Autor – Jochen Busse gehört zu den vielfältigsten Darstellern auf Deutschlands Boulevard-Bühnen. Mit Yoga hält er sich seit Jahrzehnten fit. An diesem Donnerstag (28. Januar) wird Busse 80.

Phänomen „Damengambit“ Toller Schachzug von Netflix
Die Netflixserie „Das Damengambit“ ist ein Megahit geworden. Damit hätte kaum jemand gerechnet. Aber es lohnt eben, mal Ungewohntes zu wagen.

ARD-Fernsehfilm „Ruhe! Hier stirbt Lothar“ Leben und Lieben lernen
Heiter-melancholisches Schauspielerfest: Jens Harzer und Corinna Harfouch überzeugen in Hermine Huntgeburths Fernsehfilm für die ARD, „Ruhe! Hier stirbt Lothar“.

Robert Habecks Buch „Von hier an anders“ Grüner Regierungsanspruch
Der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, legt auf dem Weg in den Bundestagswahlkampf mit seinem neuen Buch eine eigene politisch-philosophische Landkarte vor.