Frauen im Fokus: Dänische Hebammen verzweifeln, an Islands Küste fallen Touristinnen von den Klippen, Schwedinnen über 40 hoffen auf besseren Sex, und im Norden Englands sucht der Geist eines Mädchens nach seinem Mörder: Eindrücke vom Serien-Special der Berlinale.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Berlin - Die Polizisten und der Gerichtsmediziner sollten sich eigentlich um die Obduktion der Leiche der deutschen Touristin kümmern, die hier in der isländischen Provinz am Strand gefunden wurde. Doch stattdessen diskutieren sie darüber, was eine gute TV-Serie ausmacht: Ist es wichtiger, eine spannende Geschichte zu erzählen, oder kommt es mehr darauf an, vielschichtige Charaktere zu erfinden? Am besten ist es natürlich, wenn eine Serie beides hinkriegt – wie der Krimi „Black Sands“, aus dem diese Szene stammt. Aber das ist man ja von skandinavischen Serien gewohnt.

 

Skandinavische Serien dominieren

Dass drei der sieben Produktionen, die in diesem Jahr in der Berlinale-Serien-Reihe als Premieren gezeigt wurden, aus Skandinavien kommen, ist kein Zufall. Auch wenn inzwischen Länder wie Deutschland oder Spanien aufgeholt haben, sind Schweden, Dänemark, Island und Co. weiterhin die erste Adresse für europäische Qualitätsserien.

„Black Sands“ aus Island

„Black Sands“ etwa variiert gemächlich erzählend das Scandic-Noir-Genre, vermengt Krimi, Mystery und Sozialdrama: hier der Fall, bei dem es um all die Touristinnen geht, die ständig von den Klippen in den Tod stürzen, da die psychisch angeknackste Ermittlerin, die gerade von Reykjavík in ihre Heimatstadt zurückgekehrt ist und von ihrer Vergangenheit eingeholt wird, und dort die karg-gewaltige Landschaft, die der heimliche Star der Serie ist und ganz in der romantischen Tradition zum Spiegelbild der zerrissenen Seelen der Protagonisten wird.

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„The Shift“ aus Dänemark

Doch Skandinavien kann auch Krankenhausmelodramen. „The Shift“ ist die erste Serie der dänischen Filmemacherin Lone Scherfig („Italienisch für Anfänger“). Sie erzählt virtuos von den Nöten auf einer Entbindungsstation, in der Ella (Sofie Gråbøl aus „The Killing“) als leitende Hebamme arbeitet, von dramatischen Schicksalen und komplizierten romantischen Verwicklungen.

„Lust“ aus Schweden

Als wunderbar leicht, aber böse ironisch inszenierte Komödie erweist sich dagegen die schwedische Produktion „Lust“. In ihr geht es um Freundinnen und eine Regierungsstudie, die mit dem Slogan „Make Sweden Sexy Again“ herausfinden möchte, was Frauen über 40 über Sex denken und wie man deren Liebesleben verbessern könnte.

„The Rising“ aus Großbritannien

Und obwohl „The Rising“ aus England kommt, wirkt die Serie im Herzen wie eine Serie aus Skandinavien – nicht nur weil die Hauptdarstellerin Clara Rugaard Dänin ist, sondern auch weil der Genremix Scandic-Noir-Muster aufnimmt: Die 19-jährige Neve kommt nach einer Party am nächsten Morgen mitten im See wieder zu sich und findet heraus, dass sie ermordet wurde und nun ein Geist ist. Weil die Polizei nicht vorankommt, macht sich Neve selbst auf Mördersuche.

„Suspicion“ und „Yosi, the regretful Spy“

Tatsächlich geben sich die diesjährigen Berlinale-Serien formell konservativ und weniger experimentierfreudig als die von 2021, als David Schalkos Versuchsanordnung „Ich und die Anderen“ Weltpremiere feierte. Stattdessen werden bewährte Muster und Genres variiert: Neben Scandic-Noir-Umdeutungen gibt es so auch Platz für Gerichtsdramen (die tschechische Serie „Suspicion“) oder Agententhriller (die argentinische Serie „Yosi, the regretful Spy“).

Serienstarts. „The Rising“ ist ab 11. März bei Sky abrufbar, „Yosi, the regretful Spy“ startet am 22. April bei Amazon Prime Video. Wann und wo die restlichen Serien in Deutschland zu sehen sein werden, steht noch nicht fest.