Es hätte ein Weihnachtsmarkt wie im Bilderbuch werden können. Doch das Attentat von Berlin überschattete auch die Stimmung in Stuttgart. Die Gäste kamen trotzdem.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

STUTTGART - 31 Tage beziehungsweise 339,5 Stunden hat der Stuttgarter Weihnachtsmarkt in diesem Jahr gedauert. Kurz vor dessen Ende haben Veranstalter, die Beschicker und Gäste Bilanz gezogen: Die Besucherzahl: „Wir können eine sehr positive Bilanz ziehen“, sagt Andreas Kroll, Geschäftsführer der in. Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft. Mit über vier Millionen Gästen habe man in diesem Jahr einen Rekord erzielt: „In den zwölf Jahren, in denen die in.Stuttgart den Weihnachtsmarkt veranstaltet, waren nie mehr Besucher da“, sagt Kroll. Somit habe man auch das gesteckte Ziel von dreieinhalb Millionen Besuchern weit überschritten. „Das lag sicher daran, dass der Markt mit 31 Tagen sehr lang ging. Zudem hatten wir optimales Wetter: Es war kalt, aber trocken und sonnig“, sagt Kroll. Die wirtschaftliche Bilanz: Umsatzzahlen werden beim Weihnachtsmarkt nicht erhoben, sicher sei jedoch, dass der Markt „ein großer wirtschaftlicher Faktor ist“, so Kroll. „Die Besucher bringen der Stadt – also den Beschickern, den Hoteliers und den Einzelhändlern – gewiss Umsätze von einer halben Milliarde Euro.“ Adolf Weeber, der einen Imbissstand auf dem Weihnachtsmarkt betreibt, ist hingegen unzufrieden: „Die Leute haben nicht mehr so viel Geld – und das bekommen auch wir zu spüren.“ Zudem werde die Konkurrenz immer größer: „Alle wollen Glühwein verkaufen – und manche Beschicker verlangen dafür 3,50 Euro. Denen gebe ich die Schuld daran, dass manche Kunden ganz wegbleiben“, sagt Weeber, der drei Euro für seinen Glühwein nimmt. Die Gäste: Wie viele Gäste aus Stuttgart, der Region, dem Umland, der Republik oder und dem Ausland auf dem Weihnachtsmarkt kommen, wird nicht erfasst. Allerdings habe man in diesem Jahr die gewohnte 5000er-Marke der Busse, die Gäste nach Stuttgart bringen, geknackt. 40 bis 50 Reisegruppen seien neu hinzugekommen, sagt Marcus Christen, in.Stuttgart-Abteilungsleiter. Die Schweizerin Manuela Wernli ist mit dem Pkw angereist. Bereits das vierte oder fünfte Mal macht sie einen Tagesausflug auf den Stuttgarter Weihnachtsmarkt. „Ich mag die Atmosphäre, die Menschen sind freundlich und die Stände schön geschmückt“, sagt sie. Die Sicherheitslage: „Es hätte ein Bilderbuch-Weihnachtsmarkt werden können“, sagt Kroll. Aber das Attentat von Berlin habe die letzte Woche des Weihnachtsmarkts überschattet. Am Dienstagabend gab es eine Schweigeminute, dabei war auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Die Gäste hätten sich von dem Attentat nicht abschrecken lassen – zumal das Sicherheitskonzept in Stuttgart einwandfrei funktioniert habe: Betonpoller wurden aufgestellt und die Polizeipräsenz wurde erhöht. Das kam auch bei Linus Feller, Beschicker aus der Schweiz, gut an. Er hat seinen Stand mit Springerle-Modeln direkt an der Münzstraße, die jetzt von Pollern und Polizisten gesichert wird. „Wir wären die ersten, die es erwischt, wenn jemand hier reinfährt“, sagt er. Die Poller werden nun zeitnah wieder entfernt – an Silvester werden sie am Schlossplatz wieder aufgebaut. Dass die erhöhte Polizeipräsenz die Kleinkriminalität reduziert habe, wie Kroll behauptet, kann Polizei-Pressesprecher Thomas Doll, so nicht bestätigen. „Wir haben schlicht noch keine abschließenden Zahlen vorliegen.“ Auffälligkeiten seien aber tatsächlich nicht aufgetreten. Die Neuerungen: In diesem Jahr gab es freitags und samstags erstmals verlängerte Öffnungszeiten. „Darum hatten wir gefühlte 32 Tage lang Weihnachtsmarkt – waren es doch dadurch acht Stunden mehr“, sagt Kroll. Nicht nur bei den Imbissverkäufern sei das gut angenommen worden. Adolf Weeber ist da anderer Meinung: „Davon profitieren nur einige wenige“, sagt er. Beschicker mit kleinen Ständen, die sich nicht mal eine Aushilfe leisten könnten, seien die Leidtragenden. „Die stehen ewig da – und verkaufen fast nicht“. Linus Feller hingegen hat „als Geschäftsmann akribisch Buch geführt“ und festgestellt, dass in dieser Zeit genug zusammen kam, um die Löhne zu zahlen – und sogar noch „etwas hängen blieb“. Der Ausblick: Besser als 2016 könne 2017 nicht werden, sagt Christen. Der Weihnachtsmarkt dauert dann kalendarisch bedingt sechs Tage kürzer. Zum Thema Sicherheitskonzept könne man noch nichts sagen, das stehe noch nicht fest.