Auffällig viele Überfälle auf Geldboten kamen im vergangenen Jahr zusammen. Die leeren Straßen in der Corona-Pandemie erleichtern das schnelle Entkommen mit einem Fluchtwagen. Nun ist es wieder passiert, diesmal an Berlins berühmtester Einkaufsstraße.

Berlin - Auffälliger und besser sichtbar geht es kaum. Mit ihrer leuchtend orangefarbenen Kleidung erinnern die Räuber an Müllarbeiter. An der bekannten Berliner Einkaufsstraße Ku’damm überfallen sie am Freitagvormittag einen Geldtransporter, bedrohen und verletzen zwei Wachmänner, packen Geldkassetten ein und verschwinden mit einem Fluchtauto. Teile des Überfalls sind auf Videos von Nachbarn gut zu erkennen.

 

Gegen 10 Uhr war der Alarm bei der Polizei eingegangen. Der Kurfürstendamm ist um die Uhrzeit und auch wegen der Corona-Pandemie nicht so voll wie sonst. Zeugen erzählen der Polizei später, mindestens vier Männer hätten zwei Geldboten bedroht, die gerade vor einer Volksbank an der Ecke Bleibtreustraße Geldkassetten aus ihrem Transporter luden. Ein Polizeisprecher sagt, die bewaffneten Räuber hätten die Geldboten mit Reizgas besprüht. Mindestens einer der Täter hat eine Pistole. Beide Geldboten werden verletzt und später in ein Krankenhaus gebracht. Schüsse werden nach Zeugenaussagen nicht abgefeuert.

Frau will vier Täter gesehen haben

In einem 22 Sekunden langen Video, das aus einem Fenster eines Hauses direkt am Tatort aufgenommen wurde, sind die vier Männer zu sehen. Die Polizei stuft das Video als authentisch ein. Ihre Köpfe und Gesichter haben die Täter mit Stoffmasken oder Mützen verhüllt. Sie tragen orangefarbene Jacken und zum Teil auch Hosen. Hektisch packen sie größere Gegenstände - vermutlich die Geldkassetten - aus der offenen Seitentür eines blaugrauen Transporters in einen großen weißen Sack. Mindestens einer der Männer könnte eine schwarze Pistole in der rechten Hand halten. Auf dem Boden liegt ein anders gekleideter Mann. Den vollen Sack zerren die Männer zum Straßenrand. Dann bricht das Video ab.

Ein zweites Video, das von der gegenüberliegenden Straßenseite gefilmt und von der „Bild“-Zeitung veröffentlicht wurde, setzt Sekunden später ein. Die Männer packen den großen weißen Sack mit Mühe in den Kofferraum eines Autos, steigen ein und fahren ab.

Eine junge Frau erzählt Reportern am Tatort, dass sie im Auto vorbeigefahren und den Überfall beobachtet habe. Es seien vier Täter gewesen. „Auf einmal hat der Herr da zwei Pistolen auf uns gerichtet“, sagt die Frau. Zwei Komplizen hätten „Säcke mit Geld transportiert“ und in einen Wagen geladen. Dessen Kofferraum habe sich nicht ganz schließen lassen. „Es war ein großer Schock, ich hatte totale Angst. Der Fahrer von uns wollte die anfahren und ich habe nur geschrien, fahr bitte weiter.“

LKA schaltet ein Upload-Portal frei

Von der Polizei heißt es, die Täter seien mit mehreren Geldkassetten geflüchtet. Die Höhe der Beute sei noch unbekannt. Südlich der Berliner Stadtautobahn wird kurz darauf ein brennender Audi hinter einem Supermarkt entdeckt. Die Polizei geht davon aus, dass es sich um den Fluchtwagen handelt. „Das Vorgehen spricht dafür, dass das relativ organisiert war. Die Täter sind rücksichtlos vorgegangen, um an die Beute zu gelangen. Es wurde Gewalt angewendet.“

Das Landeskriminalamt (LKA) hat die Ermittlungen übernommen. Die Polizei bittet darum, Fotos und Filme von dem Überfall nicht ins Internet, sondern an ein freigeschaltetes Portal des LKA zu schicken.

Reihe von ähnlichen Überfällen 2020

Im vergangenen Jahr gab es in Berlin eine ganze Reihe von Überfällen dieser Art. Möglicherweise nutzen Kriminelle die in Corona-Zeiten leeren Straßen, auf denen man leichter fliehen kann als im dichten Berufs- und Geschäftsverkehr vor 2020.

Ob Indizien vom aktuellen Überfall auf Mitglieder der organisierten Kriminalität oder in Richtung Clan-Kriminalität deuteten, könne noch nicht eingeschätzt werden, sagt ein Polizeisprecher. „Natürlich werden auch Zusammenhänge zu vorangegangenen Taten geprüft.“