Auf dem Rückweg von einer langen Aufsichtsratssitzung hat der Berliner Flughafenchef Hartmut Mehdorn einen Autounfall gebaut. Das könnte mit den Turbulenzen um den Hauptstadtflughafen BER zu tun haben, die ihm immer heftigere Kritik einbringen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Es gab wie erwartet viele heikle Punkte zu bereden. Bis gegen 23 Uhr stritten in der Nacht zu Samstag die 15 Aufsichtsräte der staatlichen Berliner Flughafengesellschaft in Schönefeld über weiterhin offene Baumängel und Terminpläne, ausufernde Kosten und das Krisenmanagement von Hartmut Mehdorn. Der Manager, bisher als Sanierer im Debakel um den unfertigen Hauptstadtflughafen BER wenig erfolgreich, setzte sich danach selbst ans Steuer seines Dienstwagens. Kurz darauf landete die Luxuslimousine umgekippt in der Leitplanke.

 

Kommentarlos war Mehdorn nach der Marathonsitzung in den Wagen gestiegen und abgefahren. Seinem Chauffeur soll er wegen der langen Dauer des Treffens erlaubt haben, früher Feierabend zu machen. Klaus Wowereit, Berlins Regierungschef und Aufsichtsratsvorsitzender, startete mit Fahrer und Begleitschutz kurz danach und kam als Erster zur Unfallstelle an der nahen Autobahnauffahrt. Dort war Mehdorn mit seinem Wagen gegen eine Pfosten gefahren, wodurch der Audi A8 auf die Beifahrerseite kippte.

Unfall mit Sachschaden kurz nach der Sitzung

Der 71-jährige Manager blieb offenbar unverletzt und wurde nach polizeilicher Aufnahme des Unfalls im Auto von Wowereit mitgenommen. Es soll ein Sachschaden von mehreren 10 000 Euro entstanden sein. Mehdorn soll weder getrunken noch unter Drogen gestanden haben. Ein Alkoholtest zeigte nach Polizeiangaben keine Auffälligkeiten. Beobachter führen die Unachtsamkeit des Managers auch auf den Stress zurück, unter dem der BER-Chef seit dem Morgen gestanden habe.

In der Tat war es für Mehdorn kein schöner Tag. Aus Kreisen des Aufsichtsrats kam nach der Sitzung heftige Kritik. Im Berliner „Tagesspiegel“ sprach ein ungenannter Kontrolleur von „Flickschusterei“. Das Pannenprojekt sei in den letzten beiden Jahren nicht vorangekommen. Der vor einem Jahr als Retter geholte Mehdorn schaffe „mit Managementmethoden der 70er Jahre permanente Unruhe, Misstrauen und Argwohn“. Auf der BER-Baustelle herrsche „ein Klima der Angst“.

  Ein verbindlicher Zeit- und Kostenplan für den Start des Hauptstadt-Airports BER ist auch nach acht Jahren Bauzeit und vier Verschiebungen weiter nicht in Sicht. Das größte Problem – die schweren Mängel beim Brandschutz im großen Empfangsgebäude – ist weiter ungelöst. Für den Umbau hat der Siemens-Konzern 18 Monate veranschlagt, hat aber wegen offenbar unzureichender Vorarbeiten von Mehdorns Mannschaft noch immer nicht damit begonnen. Mittlerweile gilt sogar eine Eröffnung im Herbst 2016 als gefährdet.

Bausumme mit 5,4 Milliarden Euro veranschlagt

Ursprünglich sollten 2,4 Milliarden Euro für den BER reichen, und der Airport sollte 2011 eröffnet werden. Neuerdings wird eine Bausumme von mindestens 5,4 Milliarden Euro veranschlagt. Davor lag der Kostenrahmen bei 4,3 Milliarden Euro. Offiziell wird die neue Summe noch nicht bestätigt, Mehdorn soll den zusätzlichen Finanzbedarf von 1,1 Milliarden Euro aber selbst gegenüber dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestag genannt haben. Allein das Schallschutzprogramm für die zahlreichen Anwohner des Airports am dicht besiedelten südöstlichen Rand der Hauptstadt wird inzwischen auf 730 Millionen Euro beziffert. Die BER-Macher hatten jahrelang auf eine rechtlich unhaltbare Billigvarianten gesetzt, klagende Gemeinden und Bürgerinitiativen setzten juristisch einen verbesserten Lärmschutz durch. Ein erfolgreiches Bürgerbegehren in Brandenburg erreichte, dass anstatt von Mitternacht bis fünf Uhr nun zwischen 22 und sechs Uhr Nachtruhe herrschen soll.

Die Potsdamer Landesregierung unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) konnte diese Forderung aber bisher in der staatlichen Flughafengesellschaft nicht durchsetzten, weil die beiden anderen Gesellschafter – der Bund und das Land Berlin – befürchten, dass der Airport und sein Betrieb mit diesen Öffnungszeiten endgültig unrentabel und zum dauerhaften Milliardengrab für knappe Steuergelder werden.

Am Freitag weigerte sich der Aufsichtsrat sogar, über einen entsprechenden Antrag zur Nachtruhe überhaupt abzustimmen und verwies das Thema an die Gesellschafterversammlung, die zuvor aber ebenfalls keine Einigung erzielt hatte. Für Brandenburgs Regierung ist der Streit über die Nachtruhe politisch besonders heikel, zumal im Mai Kommunal- und im Herbst Landtagswahlen anstehen.

Ständige Personalquerelen

Auch im Streit über den weiteren Finanzbedarf droht eine Blockade. Der Bund und die beiden Länder mussten Ende 2012 bereits 1,2 Milliarden Euro nachschießen, um den Weiterbau zu sichern und die Flughafengesellschaft vor der Pleite zu retten. Wie lange das Geld noch reicht, ist unklar, vermutlich nicht viel länger als bis Jahresende. Zu Mehdorns Forderung nach einer weiteren Finanzspritze von 1,1 Milliarden Euro hieß es nach der Sitzung, das sei „noch nicht entscheidungsreif“.

Mehdorn steht auch wegen ständiger Personalquerelen in der Kritik. So hatten der kürzlich von dem Manager entlassene Leiter des BER-Immobilienbereichs, Harald Siegle, sowie der entmachtete Technikchef Horst Amann massive Kritik am Krisenmanagement Mehdorns vorgebracht – auch gegenüber dem Aufsichtsrat. Dessen Vorsitzender Wowereit stellte sich aber bisher vor den Manager.Mehdorn hatte bei seinem Amtsantritt das  Sanierungsprogramm „Sprint“ gestartet und für viel Geld zahlreiche externe Berater geholt, die teils mehrere Tausend Euro pro Tag verdienen sollen. Nach einem Bericht der Wochenzeitung „Zeit“ soll sich Siemens in einem Brief an den BER Ende vorigen Jahres sehr unzufrieden geäußert und Mehdorn samt seinen Leuten „ein Zeugnis der Inkompetenz“ ausgestellt haben. Jeder Tag der Verzögerung am BER kostet nach Hochrechnungen den Steuerzahler rund eine Million Euro. Selbst im Bundesfinanzministerium gibt es inzwischen Experten, die am Ende mit Gesamtkosten von bis zu acht Milliarden Euro für den Hauptstadt-Airport rechnen.