In Berlin freut man sich über alle Maßen über den erhofften Sieg Emmanuel Macrons, doch ist das gute Abschneiden von Marine Le Pen auch Anlass zu anhaltender Sorge.

Die Angst vor einem Frankreich-Fiasko war groß im Bundeskanzleramt – so groß, dass Olaf Scholz schon im Vorfeld mit dem ungeschriebenen Gesetz der Nichteinmischung gebrochen hatte. In einem Gastbeitrag, der am Donnerstag vor der Stichwahl zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen in der Pariser Zeitung „Le Monde“ erschienen war, hatte der Kanzler die Französinnen und Franzosen zur Wahl des Amtsinhabers aufgerufen. Die Botschaft, dass Deutschland Macron will und braucht, war eindeutig.

 

Die Freude war umso größer in Berlin, als bereits kurz nach 19 Uhr am Sonntagabend die allerersten Prognosen und Hochrechnungen auf das erhoffte Ergebnis hindeuteten. Zum einen wäre es im strategischen Konflikt mit Russland sicher alles andere als hilfreich gewesen, in Le Pen jemanden im Élysée-Palast sitzen zu haben, deren Partei schon Wahlkampfhilfe aus Moskau erhalten hat. Zum anderen wäre statt des weltpolitisch so dringenden Zusammenrückens der Gemeinschaft mindestens eine Blockade weiterer Integrationsschritte zu erwarten gewesen, wenn nicht sogar ein Zerfallsprozess.

Von einem „starken Signal für Europa“ spricht Nils Schmid

„Die Erleichterung über Macrons Sieg ist groß, wir sind an einer Katastrophe vorbeigeschrammt“, sagte Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) am frühen Abend unserer Zeitung: „Denn was sagt es denn über unseren Zustand aus, wenn in einem Gründungsstaat der EU mehr als 40 Prozent der Stimmen an eine Putin-Freundin, Deutschland- und Europahasserin gehen?“

Von einem „starken Signal für Europa“ spricht Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Regierungsfraktion. Er verweist als Vorsitzender der gemeinsamen Parlamentarierversammlung auch darauf, dass der Erfolg Macrons „sehr erfreulich für die deutsch-französische Partnerschaft ist“ – schließlich hat der Wahlsieger den Aachener Vertrag mitunterzeichnet, der eine noch engere Kooperation zwischen Berlin und Paris vorsieht, bisher aber nur teilweise mit Leben gefüllt worden ist. CDU-Chef Friedrich Merz verband seine Glückwünsche auf Twitter denn auch mit einem Anliegen: „Jetzt ist ein neuer Anlauf für deutsch-französische Zusammenarbeit möglich und nötig!“

Es ist offen, ob Macron eine Mehrheit für seine Politik bekommt

Gunther Krichbaum, der außenpolitische Sprecher seiner Unionsfraktion, mahnt ähnlich wie Özdemir, Marine Le Pens hohe Werte nun nicht einfach unter den Tisch fallen zu lassen. „Das Ergebnis darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Spaltungen in der französischen Gesellschaft zugenommen haben und die Unzufriedenheit wächst.“ Die außenpolitischen Krisen verunsicherten viele Menschen, in erster Linie habe das Ergebnis, so Krichbaum weiter, „innenpolitische Ursachen, welche wir in Deutschland kaum mehr wahrnehmen“. Das muss sich nach Ansicht des CDU-Mannes unbedingt ändern, wenn sich die Lage nicht verschlimmern soll: „Hier müssen wir die frühere Aufmerksamkeit zurückerlernen.“

Ganz verschwunden ist die Angst vor politischen Blockaden in der Europäischen Union ohnehin noch nicht, ohne die nötige Gefolgschaft in der Pariser Nationalversammlung nämlich wäre Macron ein schwacher Präsident: „Es ist völlig offen“, sagt SPD-Mann Schmid, „ob er bei den Parlamentswahlen eine Mehrheit für seine Politik bekommt.“