Die Reform der Pflegeausbildung droht aus Sicht von Bernd Meurer – Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste – die Altenpflege zu schwächen. Es gehe verloren, was die Pflege auszeichne: das Verständnis für die Lebenslage alter Menschen.

Herr Meurer, was sind Ihre Einwände gegen die Reform der Pflegeausbildung?
Die Regierung schüttet das Kind mit dem Bade aus. Zum Glück erlebt derzeit die Altenpflegeausbildung einen Aufschwung, um den uns Handwerk und Industrie beneiden: Es gibt zweistellige Zuwachsraten bei der Zahl der jungen Leute, die Altenpflege lernen. Und genau da grätscht Berlin nun mit einem völlig unausgegorenen Konzept rein.
Was ist unausgegoren?
Die Politik verkündet stolz, dass sie die Attraktivität des Altenpflegeberufs stärken wolle. Allerdings fehlen 80 Prozent der nötigen Angaben. Wie genau sieht die neue Ausbildung aus? Wie lange sollen die Schüler lernen, was Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege ist? Das lässt der Vorschlag offen. Mich treibt die Sorge um, dass am Ende verloren geht, was Altenpflege so besonders macht.
Was ist das?
Die soziale Komponente, das Verständnis für die besondere Lebenslage eines älteren, hilfebedürftigen und manchmal auch dementen Menschen. Was ist denn gewonnen, wenn drei Ausbildungen, die bisher je drei Jahre dauern, jetzt zu einer Ausbildung zusammengefasst werden, die ebenfalls drei Jahre dauert? Da gehen Inhalte verloren, da kommt es zu einer Verdichtung. Mir kann keiner sagen, dass das die Lage besser macht. Eher droht das Gegenteil, das heißt: die fachlich sehr gute Altenpflegeausbildung, die wir heute haben, droht Schaden zu nehmen.
Die Regierung weist darauf hin, dass sich die Lage verändert hat. Im Krankenhaus werden viel häufiger als früher hochbetagte, oft demenziell erkrankte Menschen behandelt. Und umgekehrt leben in Alten- und Pflegeheimen mehr Menschen, die medizinische Hilfe brauchen.
Diese Beobachtung trifft zu. Nur ist es verkehrt, deshalb die drei Berufszweige völlig umzukrempeln. Es reicht aus, die Curricula entsprechend zu ändern. Und auf die veränderte Lage kann man auch so reagieren, dass in den Kliniken mehr Altenpfleger beschäftigt werden und umgekehrt in der Altenpflege mehr Krankenpfleger oder Krankenschwestern. Das geschieht vielerorts übrigens auch schon.
Geht es Ihnen nicht eher ums Geld als um die Pflege? Im Zuge der Generalistik sollen Altenpflegekräfte besser bezahlt werden, um den Beruf attraktiver zu machen.
Den Vorwurf mit dem Geld höre ich oft. Und immer ist er falsch. Die Zeiten, in denen in der Altenpflege schlecht bezahlt wurde, sind vorbei. Dafür suchen alle – seien es die Wohlfahrtsverbände oder wir private Träger – viel zu händeringend nach Fachkräften. Wenn Berlin die Löhne und Gehälter anheben will, habe ich nichts dagegen. Dafür muss man aber nicht die bisherigen Ausbildungen auf den Kopf stellen. Es reicht völlig, wenn Berlin die Verhandlungsposition der Anbieter von Pflegeleistungen gegenüber den Pflegekassen stärkt. Mehr Personal heißt dann auch, dass die Arbeitsbelastung sinkt. Was wiederum die Attraktivität des Berufs erhöht und unterstützt, dass Altenpfleger ihr ganzes Erwerbsleben lang in ihrem Beruf bleiben können.
Warum erfährt Altenpflege gesellschaftlich weniger Wertschätzung als andere soziale Berufe?
Weil Altenpflege nicht heilen kann. Wenn ein jüngerer und gesunder Mensch mit ihr konfrontiert wird, begegnet er seiner eigenen Endlichkeit, was natürlich traurig ist. Auf einer Makroebene ist das Ansehen deshalb geringer als bei anderen berufen. Wenn Sie aber Ältere und ihre Familien persönlich auf ihre Erfahrungen ansprechen, sehen Sie auf dieser Mikroebene ein anderes Bild. Da zeigt sich meist viel Anerkennung und Dankbarkeit für die Arbeit eines Pflegediensts oder eines Pflegeheims. Und die rühren wiederum aus der hohen Fachlichkeit und Qualität, die heute die Altenpflegeausbildung in Deutschland aufweist.