Ein Bundesvorsitzender auf Heimatbesuch: Bernd Riexinger redet in Weil der Stadt.

Weil der Stadt - Hey Bernd! Im Minutentakt huscht ein Lächeln über das Gesicht von Bernd Riexinger, nämlich dann, wenn er schon wieder einen alten Bekannten entdeckt hat und ihm um den Hals fällt. Und das sind einige in Weil der Stadt, denn der Bundesvorsitzende der Linkspartei kommt von hier.

 

Klar, es ist Wahlkampf, dazu hat er auch ein Buch geschrieben, das es vorzustellen gilt. Aber ein Pflichttermin ist der Abend im katholischen Gemeindehaus nicht. Riexinger strahlt schon wieder. „Wie geht’s?“, ruft er. Bis 1991 hat er hier gelebt, und war vorher Weil der Städter wie wohl kaum einer. Aufgewachsen ist er in Hausen, dann zogen die Eltern nach Münklingen, als er acht war. Als Erwachsener war er schließlich 17 Jahre lang Merklinger.

Wenn er jetzt wieder einmal in der Stadt ist, dann ist es vor allem ein altes Gebäude, das die Erinnerungen zurückruft. Das Augustinerkloster und das dort beherbergte Jugendhaus, wo die kleine Kulturrevolution begann, die Riexinger heute im Büro des Parteivorsitzenden und im Bundestag fortsetzt. „Ja, das war eine politisch bewegte Zeit damals“, erinnert er sich jetzt wieder. „Wir waren einige aktive Gruppen in Weil der Stadt.“

Essenz aus 45 Jahren politischer Arbeit

Probleme gab es viele, in der Welt und vor Ort. Man engagierte sich gegen die Apartheid in Südafrika und für die Bäume im Weil der Städter Stadtwald, aber auch um bessere Bedingungen für „Lehrlinge“, wie sie damals noch hießen. Die Schwachen und Benachteiligten waren es, die Bernd Riexinger immer schon interessierten. Wobei er sich sogleich, in seiner rund einstündigen Buchvorstellungsrede, gegen diese Begriffe wehrt. „Nicht die Menschen sind sozial schwach, sondern die Systeme, in denen sie leben müssen“, sagt er in seiner bestimmten, aber sympathisch ruhigen Art. Dass er dagegen kämpft, versteht sich von selbst. Und die Begriffe, mit denen er das tut, scheinen zwar antiquiert, sind aus seiner Sicht aber hochaktuell. „Neue Klassenpolitik“, heißt das Buch, das er mitgebracht hat.

Die Essenz aus 45 Jahren politischer Arbeit sei das, erklärt er, und nennt zum Beispiel die 70er Jahre, als alles noch ganz anders war, die Hochzeit der Sozialpartnerschaft nämlich. „Der Chef der Leonberger Bausparkasse hätte damals als Betriebsratsvorsitzender kandidieren können – und er wäre gewählt worden“, sagt Riexinger. Das weiß er aus eigener Anschauung, denn nach der Lehre zum Bankkaufmann war er bis 1990 bei der Leobau, davon zehn Jahre lang als freigestellter Betriebsrat.

Beruflich und privat ging der Kampf also weiter, denn auch seine Mitstreiter in Weil der Stadt aus der Jugendbewegung brauchten ein Dach über dem Kopf. Zum konservativen Bürgermeister Friedrich Knobloch gingen sie und beim Gemeinderat erstritten sie sogar einen Zuschuss von 5000 Mark, als sie schließlich nach eigenhändiger Renovierung ins Kloster einziehen durften.

„Stolz darauf, dass das Jugendhaus Kloster nach 45 Jahren noch selbstverwaltet ist“

„Ich bin richtig stolz darauf, dass das Jugendhaus Kloster auch jetzt, nach 45 Jahren, noch selbstverwaltet ist“, sagt Bernd Riexinger. Nicht einfach sei es gewesen, die Stadt habe es immer wieder schließen und die Jugendlichen rauswerfen wollen.

„Wir kämpfen“, hat sich diese junge Weil der Städter Generation damals gesagt, und das sagt sich Riexinger bis heute. Später war er Verdi-Geschäftsführer in Stuttgart, Streiks wurden zu seiner Spezialität. In Weil der Stadt erzählt er die legendäre Geschichte der Müllwerker. Als Stuttgart bei deren Streiks private Unternehmen beauftragen wollte, besetzten die Männer kurzerhand die Müllverbrennungsanlage. „Das war ein grandioser Erfolg, wir kamen sogar in der Tagesschau“, erinnert sich der 63-Jährige. Das Publikum in Weil der Stadt schmunzelt, einige waren damals dabei.

Gelegentlich ist der Parteivorsitzende noch in seiner alten Heimat Weil der Stadt, in Münklingen hat er Verwandtschaft. Und auf das Jugendhaus Kloster wirft er dann immer einen besonders vertrauten Blick.