Musikalische Kostbarkeiten finden sich in dem neuem Programm des Stuttgarter Dirigenten Frieder Bernius und seines Musikpodiums. Das erste Konzert ist im Oktober.

Er bleibt sich treu, der Stuttgarter Dirigent Frieder Bernius. Als Vorkämpfer der historischen Aufführungspraxis, als sensibler Sensor verschütteter musikalischer Kostbarkeiten, als Chorkoryphäe luziden Vokalklangs lässt er sich doch nie in Echokammern sperren. Auch nicht mit dem Konzertprogramm 2022/23 seiner Veranstalterorganisation Musikpodium Stuttgart.

 

Große Bandbreite des neuen Programms

Kunst sei die Tochter der Freiheit, zitiert Bernius in der Saisonbroschüre Schiller. Deren Inhalt stellt der Kunst eine Schwester zur Seite: Vielfalt – auch sie eine Tochter jener Freiheit, die sich Bernius nimmt. Zählt er doch zu den wenigen Originalklang-Cracks, die bei Bach ebenso zu Hause sind wie bei Ligeti. Das ist denn auch die Bandbreite des neuen Programms – gleich zum Auftakt am 9. Oktober in der Markuskirche mit dem Kammerchor Stuttgart in A-cappella-Aktion von Bach über Schönberg bis Penderecki. Nicht nur hier mit dabei: Clytus Gottwalds chorische Deutungen von Instrumentalem oder Klavierliedern.

Im „Deutschen Requiem“ von Brahms, gekoppelt mit dessen musikalischer Umdeutung von Hölderlins nihilistischem „Schicksalslied“ (6. November, Hegelsaal), geht es Bernius um Chorsymphonik im eigentlichen Sinn: einen „einheitlichen Chorklang, auf den das Orchester abgestimmt ist“. Noch mal Hölderlin, nun in den drei Phantasien von György Ligeti mit 20 Solisten des Kammerchors: Anlässlich des 100. Geburtsjahrs des Komponisten wird sein Chorwerk umtönt von Schnebel, Messiaen und anderen, wie den barocken Römer Orazio Benevoli mit seiner 16-stimmigen Messe (19. Februar 2023, Mozartsaal). Mit Bachs Matthäuspassion (24. März) zieht Bernius in die Esslinger Stadtkirche – was er als Plädoyer für einen neuen Stuttgarter Konzertsaal verstanden wissen will. Im Open Air auf Schloss Solitude beleuchtet er unbekanntere Seiten einer seiner zentralen Komponistengrößen: Mendelssohn mit der Schauspielmusik zu Racines „Athalia“ (28. und 29. Juli).

Bernius setzt sich für regionale Musik ein

Etliche Auswärtsspiele bezeugen internationales Renommee – dass dieses bisweilen das regionale übertrifft, ist Bernius’ Schuld nicht. Macht er sich doch seit Langem für regionale Musik stark, etwa vom Biberacher Justin Heinrich Knecht, diesmal kombiniert mit Neuem von einem anderen Biberacher, dem Kirchenmusiker Gregor Simon. Leider nur in Biberach.