Gegen die Auftritte des französischen Rockstars Bertrand Cantat, der seine Freundin totschlug und dafür eine Haftstrafe verbüßte, erhebt sich landesweiter Protest. Und es gibt hässliche Gerüchte.

Paris - Der Funke springt noch immer über. Bertrand Cantat quittiert es mit einem Lächeln. Seit Anfang März steht der 54-Jährige wieder auf der Bühne. Zum Auftakt einer knapp 40 Stationen ausweisenden Tournee ist der Sänger ins Hafenviertel von La Rochelle gekommen. Im Livemusikclub „La Sirène“ scheint alles wie früher. Ob das Publikum nun tanzt, tobt, schreit, singt oder auch andächtig schweigt: Es steht im Bann dieses Mannes.

 

Aus gutem Grund hat es der Franzose zu einem der bekanntesten Rock- und Pop-Sänger des Landes gebracht. Sein musikalisches Talent und seine Stimmgewalt stehen außer Frage. Hinzu kommt Charisma. „Wenn Bertrand ein Zimmer betritt, absorbiert er alle Energie, hat dich voll im Griff“, so beschreibt ein Mitglied von Cantats früherer Band „Noir Désir“ die Ausstrahlungskraft des Kollegen. „Es ist noch nicht zu Ende“, stellt der Sänger in La Rochelle fest. Das Publikum grölt und klatscht. Dabei ist womöglich doch bald alles zu Ende. Gegen die Auftritte des 54-Jährigen erhebt sich landesweiter Protest.

2004 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu acht Jahren Haft verurteilt

Denn zur Bekanntheit des Rockstars hat noch etwas Anderes beigetragen: ein vor fast 15 Jahren verübtes Verbrechen. In der Nacht vom 26. auf den 27. Juli 2003 hatte Cantat seine damalige Freundin, die bekannte Schauspielerin Marie Trintignant, so heftig geschlagen, dass sie ins Koma fiel und fünf Tage später starb. Wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu acht Jahren Haft verurteilt, kam Cantat wegen guter Führung 2007 wieder auf freien Fuß. Gut ein Jahrzehnt später holt ihn nun die Vergangenheit ein. Sein Comeback und der ihm entgegenschlagende Jubel geraten als „Ausdruck der Banalisierung wenn nicht Billigung der Gewalt gegenüber Frauen“ in Verruf und stoßen auf massiven Widerstand.

Unter dem Eindruck dieses Protests sagen Veranstalter jetzt geplante Auftritte ab. Im westfranzösischen Saint-Nazaire hat der Bürgermeister David Samzun den ursprünglich für Juli eingeladenen Star in einem öffentlichen Brief zur Persona non grata erklärt. Die Organisatoren des Festivals L’Ardèche Aluna, die zunächst versichert hatten, sie wollten an der Verpflichtung Cantats festhalten, sind auf Druck von Festivalteilnehmern und Mäzenen Mitte der Woche umgeschwenkt, haben den Star ebenfalls ausgeladen.

Eine Bürgerinitiative ruft zu Protestkundgebungen auf

Eine Online-Petition gegen einen am 18. Mai in der Normandie geplanten Festivalauftritt Cantats zählt bereits mehr als 70 000 Unterschriften. Das Departement hat die Konsequenzen gezogen und den Veranstaltern des Festivals die Subventionen gestrichen. In Montpellier wiederum, wo Cantat am Montag gastieren will, ruft eine Bürgerinitiative zu Protestkundgebungen auf.

„Würden die Menschen auch einem aus der Haft entlassenen Kinderschänder zujubeln, würden sie auch einen Mann feiern, der einen bewaffneten Raubüberfall begangen und seine Strafe verbüßt hat?“ Raphaelle Rémy-Leleu fragt das, Sprecherin der Frauenrechtsorganisation „Wagt den Feminismus“. Sie fügt hinzu: So wichtig es sei, einen entlassenen Straftäter wieder in die Gesellschaft einzugliedern, bejubeln müsse man ihn noch lange nicht.

Es gibt Gerüchte, Cantant habe seine Exfrau in den Suizid getrieben

Bereits im vergangenen Oktober hatte es erste heftige Unmutsbekundungen gegeben. Die Wochenzeitung „Inrockuptibles“ hat dem Sänger damals Titelbild und einen ihn als Künstler preisenden Beitrag gewidmet. Ein Ende November im Magazin „Le Point“ veröffentlichter Artikel, wonach Cantat seine Exfrau Kristina Rady durch Gewaltexzesse 2010 in den Suizid getrieben haben soll, heizte die Stimmung weiter an.

Gegenstimmen gibt es freilich auch. Muriel Jacquemin, die Sprecherin des in der Normandie geplanten Festivals „Nachtschmetterlinge“, das nun ohne Subventionen auskommen muss, will dem am Pranger Stehenden eine Chance geben. Die Justiz habe den Fall abgeschlossen, sagt Jacquemin. Cantat sei unter künstlerischen Gesichtspunkten ein ganz Großer.

Der Manager des Sängers sieht das ähnlich. Wenn man in Frankreich seine Strafe verbüßt habe, sei einem das Recht auf einen Neuanfang zuzugestehen, findet Sébastien Pernice. Anstatt seinem Klienten eine Chance zu geben, weise man ihn öffentlich als Bestie aus, die es abzuschlachten gelte. Cantat selbst zeigt sich entschlossen, die Tournee durchzuziehen – oder eben das, was vom geplanten Auftrittsreigen übrig bleibt.