Wegen der Ausbreitung des Coronavirus hat die Handwerkskammer Stuttgart Prüfungen von Meistern und Azubis abgesagt. Der geschäftsführende Schulleiter der beruflichen Schulen in Stuttgart berichtet von einer großen Verunsicherung der Berufsschüler.

Stuttgart - Ich komme jeden Tag an die Schule“, sagt Felix Winkler. Der geschäftsführende Leiter der beruflichen Schulen in Stuttgart hält auch in Zeiten von Corona an der Schule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart-Feuerbach die Stellung. Wie seine Schulleiterkollegen auch. Auch die Sekretärin und der Hausmeister müssen vor Ort sein. Die 30 000 Schüler an den beruflichen Schulen in Stuttgart haben schulfrei. Die Handwerkskammer Stuttgart hat „angesichts der fortschreitenden Ausbreitung des Coronavirus“ alle Meister- und Fortbildungsprüfungen sowie einige Gesellen- und Zwischenprüfungen abgesagt.

 

Wie geht es für Azubis in coronageschüttelten Betrieben weiter?

„Das Thema Prüfung betrifft jeden zweiten Schüler“, sagt Winkler. „Da ist viel Druck im Kessel.“ Denn bei vielen Berufsschülern – und das trifft auch die Betriebe – gehe es um die berufliche Anstellung nach der Gesellenprüfung – und ums Geldverdienen. Doch wann die nachgeholt werden kann, ist ungewiss. Die Handwerkskammer werde darüber „zu gegebener Zeit“ informieren, teilt diese auf ihrer Homepage mit. Für viele Berufsschüler falle wegen Corona ihr dreiwöchiger Blockunterricht flach – „das ist für Lehrlinge im dritten Lehrjahr besonders brisant“, sagt Schulleiter Winkler. Denn das sei für diese ja eigentlich die intensive Lernphase. Die Schule habe ihnen alte Prüfungsaufgaben zum Lernen mitgegeben. Doch etliche Schüler seien verunsichert, ob sie sich so optimal auf die Prüfung vorbereiten könnten.

„Für die allermeisten Lehrer ist das gerade eine schlimme Vorstellung, dass sie ihren Schülern vor der Prüfung nicht zur Seite stehen können“, sagt Winkler – wann immer die Prüfung auch stattfinden wird. Abgesagt wurden auch die Zwischenprüfungen für die Lehrlinge im zweiten Ausbildungsjahr, die eigentlich in dieser und der nächsten Woche hätten stattfinden sollen. Das Ergebnis zähle in manchen Berufen mit 20 Prozent zur Abschlussprüfung.

Viele Privatkunden stornieren Aufträge aus Angst vor einer Ansteckung

Ganz unterschiedliche Folgen hat die Ausbreitung von Corona für die Ausbildung in den Betrieben. „Das wird auch eine Herausforderung sein, dass alle Azubis dann die gleichen Chancen haben“, meint der Pädagoge. Denn da gebe es drei Varianten. Etliche Betriebe seien in einer Notsituation, weil ihnen Mitarbeiter ausgefallen seien, die brauchten ihre Azubis. Viele Lehrlinge hätten an ihren Berufsschultagen frei und lernten über die Lernplattform. Es gebe aber auch Betriebe, „da ist von heute auf morgen nichts mehr“ – etwa im Messebau. „Das macht auch unseren Azubis Angst“, sagt Winkler. Wie es für sie weitergeht, dazu habe auch die Handwerkskammer (HWK) „noch keine Rückmeldung von den Betrieben“, sagt Viktoria Utz von der HWK-Abteilung Berufliche Bildung. Winkler berichtet, dass auch Betriebe mit vielen Kundenkontakten große Veränderungen erlebten. „Es gibt einige Kunden, die sagen, ich will nicht, dass bei mir die Wände gestrichen werden oder der Boden gemacht wird.“ Grund sei die Angst vor einer möglichen Ansteckung.

Dass viele Privatkunden jetzt ihre Aufträge zurückziehen, bringt Winkler auf eine neue Idee: „Das wäre doch eine ideale Situation, um bei den Schulsanierungen Gas zu geben.“ Denn dort klemmt es an Handwerkern. Doch Andreas Hein, der Leiter des Schulverwaltungsamts, winkt bei diesem Thema erst mal ab. Ob man die Gelegenheit nutze? „Das können wir derzeit noch nicht sagen, weil wir gerade Schulschließungen und Notfallbetreuungen organisieren“, so Hein.