Viele Unternehmen klagen über Fachkräftemangel. Doch auch im vergangenen Jahr fanden 24 500 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Das hat mit regionalen Unterschieden zu tun. Jetzt denkt Bildungsministerin Anja Karliczek an Mobilitätshilfen für junge Leute.

Berlin - Das Angebot an Ausbildungsplätzen in Deutschland ist viel größer als die Nachfrage, gleichwohl finden weiterhin viele Jugendliche keine geeignete Lehrstelle. Das geht aus dem neuesten Berufsbildungsbericht der Bundesregierung hervor, den Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) in Berlin vorstellte. Statistisch gesehen standen zuletzt 100 Ausbildungssuchenden 106 Stellen gegenüber, sagte die Ministerin. Gleichwohl bleiben viele Jugendliche unversorgt. Im vergangenen Ausbildungsjahr fanden 24 500 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Zugleich blieben 57 700 Lehrstellen unbesetzt. Ein weiterer Befund des Berichts: In der Gruppe der 20- bis 34-Jährigen haben 2,1 Millionen Männer und Frauen keine abgeschlossene Berufsausbildung. Diese Zahl steige unter anderem aufgrund der verstärkten Zuwanderung, sagte Karliczek.

 

Für das Ungleichgewicht auf dem Ausbildungsmarkt gebe es zwei Erklärungen, erläuterte die Ministerin: Zum einen würden die Lehrstellen nicht immer in den Regionen angeboten, in denen auch die Interessenten sind. Baden-Württemberg gehört zu den Ländern in Deutschland, in denen viele Betriebe Probleme haben, Lehrlinge zu finden. Zum anderen seien diverse Branchen bei Bewerbern unbeliebt, sagte Karliczek. Besonders hoch ist der Anteil unbesetzter Ausbildungsplätze bei Fachverkäufern für das Lebensmittelhandwerk, Fleischern, Klempnern und Restaurantfachleuten.

Angebot und Nachfrage besser zusammen bringen

Die Arbeitgebervereinigung BDA erklärte: „Angebot und Nachfrage müssen noch besser zusammengebracht werden. Ausbildungsbewerber sollten die Chancen dort wahrnehmen, wo Betriebe sie ihnen bieten – auch in einem anderen Bundesland.“ Dieses Problem will Karliczek mit Mobilitätshilfen mindern. Sie sei mit den Ländern bereits im Gespräch. „Angebot und Nachfrage zusammenzubringen ist die wichtigste Herausforderung in den nächsten Jahren.“ Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufe müssten aufgewertet werden, forderte die Ministerin. Karliczek plant eine Reform des Berufsbildungsgesetzes. Mit einer Mindestvergütung für Azubis will sie die bisher gering bezahlten Ausbildungsplätze attraktiver machen. Zunächst soll es 515 Euro pro Monat für das erste Lehrjahr geben, dann 620 Euro.

Die FDP kritisiert dies: „Eine hohe Mindestausbildungsvergütung droht ausgerechnet die Ausbildungsplätze zu vernichten, die auch Menschen mit geringer Vorqualifikation eine Perspektive geben,“ sagte der Berufsbildungs-Experte der Liberalen, Jens Brandenburg. „Die geplante Erneuerung wird den 2,1 Millionen jungen Ungelernten nicht helfen.“ Karliczek widerspricht: Es handele sich um eine langsame Steigerung der Vergütungen. Laut Berufsbildungsbericht finden immer mehr Geflüchtete einen Ausbildungsplatz. Besonders beliebt bei ihnen sind Lehren im Handwerk, und in Berufen wie Koch oder Bäcker – also in Berufen mit vielen unbesetzten Ausbildungsplätze.

Karliczek will verstärkt für Berufsausbildung werben

Generell ist die Ausbildungsquote bei jungen Ausländern niedriger als bei jungen Deutschen. Die SPD-Abgeordnete Yasmin Fahimi bezeichnete es als „sozial unhaltbaren Zustand“, dass mehr als zwei Millionen junge Erwachsene in Deutschland keine berufliche Ausbildung haben. Sie sieht die Bildungsministerin in der Pflicht: „Wir werden darauf achten, dass Frau Karliczek die vereinbarten Projekte umsetzt und sie nicht aus der Verantwortung lassen.“

Karliczek will in Zukunft verstärkt für die Berufsausbildung werben – und zwar bei Menschen mit Migrationshintergrund und an Gymnasien. „Die Ausbildung bietet Jugendlichen einen qualitativ hochwertigen Bildungsweg, die einem Studium in Nichts nachsteht“, sagte die Ministerin. Laut Berufsbildungsbericht begannen im vergangenen Jahr bundesweit 531 400 Personen eine Ausbildung. Das waren 8100 mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der Bewerber wuchs um 9000, das Angebot der Betriebe nahm um 16 800 Stellen zu.