Azubis des Ausbildungszentrums für Stuckateure erneuern Fassade des Max-Liebling-Hauses in Tel Aviv.

Leonberg - Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, in ein Land zu gehen, in dem die Raketen fliegen.“ Doch der 24-jährige Max Friedel macht nicht den Eindruck, als ob er sich vor Vielem fürchtet. Er ist einer von 15 Stuckateur-Azubis, die am Ende ihrer dreijährigen Ausbildungszeit mit dem Leonberger Berufsschulzentrum und der gemeinnützigen Sto-Stiftung nach Israel gereist sind. In der Stadt Tel Aviv haben sie zehn Tage lang geholfen, das 1936 erbaute Max-Liebling-Haus zu sanieren. Das ehemalige Wohnhaus im Bauhausstil, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert, soll zum „White City Center“ umgebaut und zu einem deutsch-israelischen Dokumentations-, Vermittlungs- und Kompetenzzentrum werden. Und das mit der tatkräftigen Unterstützung junger Handwerker aus Deutschland.

 

Über einen Zeitraum von vier Wochen haben drei Stuckateur-Teams zeitversetzt die Fassaden des Gebäudes vorbereitet, Tiefen- und Haftgrund aufgetragen und schließlich den Oberputz aufgebracht. Das Max-Liebling-Haus ist das erste von rund 2000 Bauhaus-Gebäuden in Tel Aviv, das renoviert wird. Es steht unter strengem Denkmalschutz, die Sanierung muss so originalgetreu erfolgen wie nur möglich. Das heißt, die Azubis konnten nicht mit beliebigen Materialien arbeiten, sondern mussten sich im Vorfeld spezielle Kenntnisse aneignen: „Das war nicht so einfach“, erzählt Kristin Weber, die wie Max Friedel im ersten Team dabei war, „zum Glück konnten wir das Aufbringen des speziellen Filzputzes, der hier verarbeitet wurde, vorher mit unseren Ausbildern üben.“

In Israel gibt es keine handwerkliche Ausbildung wie bei uns

Ihr Wissen darüber konnten die deutschen Azubis an die israelischen Handwerker weitergeben, und den ein oder anderen Kniff dazu. „Es war eine interessante Erfahrung, auch mal Ausbilder zu sein“, findet Robin Paschke, mit 25 Jahren der älteste in der Runde. „In Israel gibt es ja keine handwerkliche Ausbildung wie bei uns. Hier muss man jemanden finden, von dem man bei der Arbeit lernen kann.“ Aber die israelischen Kollegen haben schnell gelernt, loben die Azubis unisono.

Und auch sie haben dazugelernt: „Die klimatischen Bedingungen mit der salzhaltigen Luft sind am Mittelmeer ganz anders als bei uns“, erklärt der 18-jährige Mathias Hipp aus dem zweiten Team. Bei solchen speziellen Anforderungen haben die Azubis aus Deutschland auf die Kenntnisse der israelischen Kollegen zurückgreifen können, beispielsweise beim richtigen Mischungsverhältnis des Putzes.

Von den Bedenken, die Eltern und Lehrherren teilweise hatten, die Jugendlichen in das unruhige Land reisen zu lassen, haben sich die Jung-Handwerker nicht abschrecken lassen. „Wir haben eine ausführliche Sicherheitseinweisung bekommen“, erzählt Kristin Weber, das hat für’s Erste genügt. Angst, so die 20-Jährige, hätten sie nicht gehabt, weder beim morgendlichen Fußmarsch zur Baustelle noch beim Schlendern über die Märkte oder durch die Stadt.

„Das ist cool. Da sind uns die Israelis weit voraus“

Tel Aviv haben sie zudem noch von einer anderen, verborgenen Seite kennengelernt, denn die israelischen Kollegen haben die deutschen Jugendlichen nach der Arbeit unter ihre Fittiche genommen und ihnen ihre Stadt gezeigt. „Das hätten wir als normale Touristen so gar nicht erleben können“, ist Max Friedel überzeugt, und Kristin Weber schwärmt noch immer vom lokalen Essen, besonders von den leckersten Erdbeeren, die sie je gegessen habe. Max Friedel und Robin Paschke begeistern sich noch über ein anderes Element im Stadtbild: „Uns hat erstaunt, dass in der Stadt so viele E-Scooter unterwegs sind“, sagen die beiden grinsend. „Das ist cool. Da sind uns die Israelis weit voraus.“

Nach fünf Tagen Arbeit haben die „Stuckis“ bei einem dreitägigen kulturellen Begleitprogramm weitere Eindrücke gewinnen können. Dabei durften weder der Sprung ins Tote Meer noch der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem fehlen. Den einen hat der Besuch geholfen, die Geschichte besser zu verstehen, die anderen hätten lieber den Ölberg bestiegen.

Doch in einem sind sich alle einig: „Die Reise war eine unglaubliche Erfahrung, und ich würde jedem raten, so eine Gelegenheit zu nutzen“, erklärt Robin Paschke und alle nicken. „So etwas werden wir wohl nie wieder erleben“, meint Kristin Weber ein wenig traurig. Max Friedel überlegt und resümiert: „In Israel ticken die Uhren anders, bei uns ist schon ein anderer Zug dahinter. Aber wir können uns da auch noch was abschauen und einfach mal ein bisschen runterfahren.“

Tel Aviv und das Projekt

Die „Weiße Stadt“ Das ist ein Stadtteil Tel Avivs, der in den 30er-Jahren entstand. Geflüchtete jüdische Architekten brachten die Strömungen des in Deutschland entwickelten Bauhausstils mit und passten sie an die neue Heimat an. Von rund 4000 Bauhaus-Gebäuden sollen etwa 2000 renoviert werden, bevor der „Weißen Stadt“ ihr Status als Unesco-Welterbe entzogen wird.

Das Projekt Vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird das deutsch-israelische Gemeinschaftsprojekt bis 2025 mit drei Millionen Euro unterstützt, die gemeinnützige Sto-Stiftung organisiert und finanziert zusätzlich die aufwendige Fassadensanierung für vier deutsch-israelische Handwerker-Teams. Nach den Stuckateuren kommt ein Team aus Maler-Azubis zum Zug.