Die Theaterpädagogin Tamara Konrath hat mit 31 Jahren noch ihren Beruf gewechselt. Jetzt steht sie nicht mehr auf der Bühne, sondern sitzt in einer Rechtsanwaltskanzlei.

Rems-Murr: Sascha Sauer (sas)

Fellbach - Der Vorhang fällt. Als er sich wieder öffnet, steht Tamara Konrath nicht mehr auf der Bühne, sondern sitzt in einer Rechtsanwaltskanzlei. Das ist Realität, keine Fiktion: Die Theaterpädagogin hat sich vor zwei Jahren entschieden, ihren Beruf zu wechseln und eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten zu machen – da war sie 31 Jahre alt.

 

Fristen, Paragrafen und Aktenordner bestimmen ihre Arbeit

Fristen, Paragrafen und Aktenordner bestimmen jetzt ihre tägliche Arbeit. Ein Traumjob? Durchaus, findet Tamara Konrath. „Recht und Gerechtigkeit haben mich schon immer interessiert und fasziniert.“ Statt Drehbüchern liest sie jetzt Gesetzestexte, kennt sich mit Mietrecht ebenso gut aus wie mit Familienrecht.

Aber was ist mit den Brettern, die die Welt bedeuten? Immerhin hat sie sechs Jahre lang in ihrem Beruf als Theaterpädagogin gearbeitet. Zuerst war sie selbstständig, hat interkulturelle Theaterprojekte mit Erwachsenen aus verschiedenen Ländern geleitet und an Grundschulen den Kindern Tipps rund um das Theater gegeben. Ihr großer Traum, so erzählt die heute 33-Jährige, sei es immer gewesen, an einem Kinder- und Jugendtheater zu arbeiten.

Beim Jungen Ensemble in Stuttgart entwickelt sie Theaterstücke

Dieser Traum erfüllte sich sogar. Beim Jungen Ensemble in Stuttgart entwickelte sie mit professionellen Schauspielern Theaterstücke wie „Die Leiden des jungen Werthers“ von Goethe. Doch die Theaterwelt hat auch ihre Schattenseiten: Befristete Verträge, wenig Geld, viele Termine an Wochenenden und Abenden. „Man muss auch auf Druck kreativ sein“, sagt Tamara Konrath. Die Leidenschaft fürs Theater sei aber immer so groß gewesen, dass sie die Widrigkeiten in Kauf genommen hat.

Doch als der Vertrag beim Jungen Ensemble Stuttgart auslief, war es wieder dahin mit der Sicherheit. Immer öfter musste die Fellbacherin Jobs annehmen, die eigentlich nichts mit ihrem Beruf zu tun haben. Tamara Konrath spürte, dass sie das nicht will. Ein Tipp aus dem Bekanntenkreis brachte sie auf die Bürogemeinschaft Sozietät Dr. Hagen Müller – Rößler – Stirm und Kollegen in Fellbach. Nach einem Vorstellungsgespräch hatte sie den Ausbildungsvertrag in der Tasche.

In der Berufsschule gehört sie zu den älteren Schülern

In der Berufsschule gehörte sie natürlich zu den älteren Schülern. „Ich hatte Anfangs Respekt, weil ich sechs Jahre lang nicht die Schulbank gedrückt hatte“, erzählt Tamara Konrath. Diese Sorge war aber unbegründet. Die Prüfungen zur Rechtsanwaltsfachangestellten bei der Anwaltskammer Stuttgart verliefen problemlos. Die Schulprüfungen hat sie mit einem Notenschnitt von 1,2 sogar als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Sie sei immer motiviert gewesen, erklärt sie. „Die Praxis kannte ich aus der Kanzlei, ich wollte auch die Theorie kennen lernen.“ Im Freundes- und Bekanntenkreis wurde der freiwillige Berufswechsel ganz unterschiedlich aufgenommen. „Einige sagten, dass sie in mir auch die Rechtsanwaltsfachangestellte sehen, andere waren überrascht, weil sie sich mich nicht in einer Kanzlei mit Jeans und bunten Klamotten vorstellen konnten“, erzählt die junge Frau.

Tamara Konrath will ihren Traum eine Nummer kleiner leben

Tamara Konrath ist überzeugt, dass sie die richtige Wahl getroffen hat. Sie will jetzt ihren Traum eine Nummer kleiner leben und nur noch in ihrer Freizeit Theater machen. „Ich muss ja jetzt nicht mehr davon leben und kann mir die Projekte also aussuchen“, sagt sie zufrieden. Die Rechtsanwälte in der Kanzlei bestärken sie in ihrem Vorhaben. „So lange das Theater machen meine Arbeit nicht negativ beeinflusst, soll ich in der Freizeit unbedingt weiter machen, heißt es.“