Trotz höherer Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland wird dort nicht weniger gearbeitet als im Westen wie die Zahlen belegen.

Dresden - Im Osten liegen nicht nur die deutschen Regionen mit den meisten Arbeitslosen, es sind auch jene Landstriche, in denen überdurchschnittlich viel gearbeitet wird. Denn gemessen an der Zahl der Sozialversicherten dominieren die neuen Länder das Vorderfeld der entsprechenden Statistiken bei der Bundesagentur für Arbeit. Unter den fünf Ländern mit der höchsten Beschäftigungsquote ist der Osten viermal vertreten: Thüringen (56,1 Prozent), Sachsen (55,8), Bayern (55,3), Sachsen-Anhalt (55,0), Brandenburg (54,4).

 

Unterm Strich hat so auch der gesamte Osten mit 52,6 Prozent eine höhere Quote sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter zwischen 15 und 65 Jahren als das Altbundesgebiet mit 52 Prozent. Damit liegt sogar der komplette Westen unter dem bundesdeutschen Mittelwert von 52,1 Prozent. Nur Baden-Württemberg (53,7) kommt hier noch darüber, Hessen und Rheinland-Pfalz (je 52,0) bleiben knapp darunter. Denn jene Beschäftigungsquote geht nicht vom Arbeitsort, sondern vom Wohnort der Gehaltsempfänger aus. Allerdings erfasst sie auch nicht Beamte, Selbstständige sowie 400-Euro-Jobber.

Viele Pendler, viele berufstätige Frauen

Die hohen Werte der neuen Länder resultieren aus zwei Ursachen: der hohen Zahl von Pendlern sowie der ungewöhnlich hohen Zahl weiblicher Beschäftigten. In Sachsen etwa gehen nahezu genauso viele Frauen wie Männer einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach. In den beiden zurückliegenden Jahren überstieg der Anteil der Frauen sogar den der Männer. Den höchsten Anteil berufstätiger Frauen weist allerdings Brandenburg auf.

Die Gründe hierfür liegen nach Untersuchungen des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in Dresden zum einen in einer wesentlich besseren Ausstattung mit Kindertagesstätten, zum anderen in einem völlig gegensätzlichen Rollenverständnis ostdeutscher Familien. Der Begriff Rabenmutter für eine werktätige Mutter ist hier nahezu unbekannt. So hätten sich die Verhaltensmuster der Mütter auch auf die erst nach 1990 in das Berufsleben getretenen Töchter abgefärbt. Aus ähnlichen Gründen würden ostdeutsche Unternehmer auch eher weibliche Mitarbeiter einstellen, sagt Ifo-Instituts-Vizechef Joachim Ragnitz.

Auch ältere Arbeitnehmer haben gute Chancen

Interessant bei den Pendlerzahlen ist überdies eine ostdeutsche Binnenwanderung. Zwar fahren aus Sachsen als dem deutlich bevölkerungsstärksten Neubundesland nach wie vor fast 30 000 Menschen täglich oder wöchentlich nach Bayern zur Arbeit, doch auf den nächsten Plätzen rangieren als Zielländer bereits Sachsen-Anhalt (21 436), Brandenburg (15 913) und Thüringen (15 442). Erst danach folgt Baden-Württemberg (11 204). Knapp 28 Prozent der annähernd 133 000 sächsischen Pendler sind übrigens Frauen. Und im Osten steigt die Beschäftigungsquote weiter. Selbst bei den 55- bis 64-jährigen beträgt sie mittlerweile 45,5 Prozent. Das ist mehr als die Gesamtquote von Berlin, wo 44 Prozent der 15- bis 65-jährigen einem sozialversicherungspflichtigen Job nachgehen.

Allerdings erklärt noch ein anderer Umstand diese scheinbar unbändige ostdeutsche Arbeitswut: Durch den starken Geburtenknick in den 1990er Jahren sei in den neuen Bundesländern momentan „auch die Zahl Schüler und Lehrlinge, die 15 Jahre und älter sind, stark rückläufig“, sagt Frank Vollgold, der Sprecher der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur. „Damit verringert sich auch die Bezugsgröße, da der Anteil der Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung steigt.“