Bei den umstrittenen Ankerzentren geht der Bundesinnenminister auf die Länder zu.

Heidelberg - Haben wir schon, brauchen wir nicht: So schallte es Bundesinnenminister Horst Seehofer in den vergangenen Wochen von seinen Länderkollegen beim Thema Anker-Zentren entgehen, jenen umstrittenen Einrichtungen, die das Asyl- und Abschiebeverfahren straffen sollen. Auf der jüngsten Innenministerkonferenz in Quedlinburg hat der CSU-Mann nun versucht, den Streit zu entschärfen und betont, er werde mit jedem Land einzeln über die Ausgestaltung der Anker-Zentren sprechen.

 

Sein Stuttgarter Kollege Thomas Strobl vernimmt das mit Genugtuung, denn auch er ist davon überzeugt, dass Baden-Württemberg bereits „ein gutes, fast optimales Modell“ hat, wie er gegenüber unserer Zeitung sagt: „Das wird man nicht in allen Ländern gleich machen.“ Es können doch nicht sein, die sieben bayerischen Zentren zum Vorbild zu nehmen, wo Baden-Württemberg doch mit seinem seit zwei Jahren arbeitenden Ankunftszentrum in Heidelberg die Expertise an einem Ort gebündelt habe.

Abschiebungen? Nicht aus Heidelberg

Tatsache ist, dass das Land in der früheren US-Kaserne Patrick Henry Village einige „Anker“-Elemente umsetzt. Rund 1100 Flüchtlinge leben derzeit in der Einrichtung mit dem Kürzel PHV, dort werden sie registriert und medizinisch untersucht. Auch ihren Asylantrag können sie stellen, das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration ist mit einer Außenstelle vertreten. Das habe Seehofer auch gewürdigt, sagte Strobl. Dieser habe allerdings auch darauf hingewiesen, dass in Anker-Zentren auch die Bundesagentur für Arbeit vertreten sein soll – und die gibt es im PHV nicht. Strobl: „Diese Ergänzung etwa können wir uns gemeinsam überlegen.“

Auch die Justiz ist in Heidelberg nicht vertreten, und Abschiebungen finden – anders als in den Anker-Zentren geplant – ebenfalls nicht von Heidelberg aus statt. Das sei aber auch gar nicht möglich, wendet Strobl ein, denn die Flüchtlinge sollen möglichst nur kurze Zeit dort bleiben. Laut Innenministerium beträgt die Verweildauer durchschnittlich vier bis sechs Wochen, dann werden die Flüchtlinge in eine der vier Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Leas) weiter geleitet: Karlsruhe, Freiburg, Sigmaringen oder Ellwangen. Von dort werde sehr wohl abgeschoben, heißt es.

Palmer macht einen Vorschlag

Und wie steht es mit dem Plan der bayerischen Landesregierung, eigene Flugzeuge für Abschiebungen zu chartern? Auch das praktiziere Baden-Württemberg längst, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Vor allem zur Rückführung von Flüchtlingen in den Westbalkan habe das Land seit 1998 schon mehrere Chartermaschinen eingesetzt und damit „gute Erfahrungen“ gemacht. Die in München beschlossene Maßnahme, Flüchtlingen „möglichst nur noch Sachleistungen“ zu geben, sieht man in Stuttgart hingegen skeptisch: Komplett ließen sich die finanziellen Anreize wohl nicht streichen, heißt es, denn die Rechtsprechung billige den Flüchtlingen ein Taschengeld zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse zu. Alleinstehende erhalten deshalb derzeit 135 Euro pro Monat.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hat unterdessen für Kommunen die Möglichkeit gefordert, auffällige Asylbewerber ohne Aufenthaltstitel in die geplanten Ankerzentren zurückzuschicken. Das schrieb er in einem Brief an Seehofer, den die Stadtverwaltung am Freitag veröffentlichte. Palmer beruft sich auf die Erfahrung aus Tübingen, dass Probleme vor allem mit Asylbewerbern entstünden, die keine Bleibeperspektive haben.