Sieben Tage war die Volksbühne in Berlin besetzt. Was das gebracht hat? Viele Verlierer und den Eindruck einer Konkurrenz um kulturelle Hegemonie.

Berlin - Es gibt reichhaltigen Brunch bei uns, kommt vorbei“ – schrieben am Donnerstagmorgen die Besetzer der Berliner Volksbühne im sozialen Netzwerk Twitter. Derweil erklärte die Polizei auf demselben Kanal: „Wir werden Herrn Dercon jetzt in die Volksbühne begleiten. Dort wird er die Anwesenden bitten, das Gebäude zu verlassen.“ Besser kann man nicht zusammenfassen, was an Berlins umstrittenster Bühne in den vergangenen sieben Tagen geschah und wie die Verantwortlichen dieser Stadt daran scheitern, eine durchaus führenswerte Debatte zu moderieren. Vor einer Woche besetzten ein paar Dutzend Menschen ein Theater, in Wahrheit führten Kritiker der Gentrifizierung auf einer Bühne vor, was in Wohnungen der Stadt viel stiller passiert.

 

Es ist DIE Bühne, die in Berlin für Linkssein steht, für Subversion und Kritik an den herrschenden Verhältnissen. Und sie hat einen neuen Intendanten, der in der Szene zur Hassfigur für eine Politik geworden ist, die Kultur als Teil von Standortmarketing begreift. Für diese Personalisierung trägt auch der neue Kultursenator Klaus Lederer eine Mitverantwortung, da er Dercon unmäßig kritisiert hatte. Dercon selbst allerdings hat bisher den Eindruck eines Eventkosmopoliten vermittelt, dem der Geist des Orts egal ist. Wie sonst hätte er den Fehler begehen können, diesen so tränenreich verlassenen Ort zum Beginn der Saison unbespielt zu lassen und so physisch eine Frage nach Freiraum für Kunst aufzuwerfen?

Die unbespielte Volksbühne war ein Riesenfehler

Und dass diese Frage für Berlin entscheidend ist, wird kein vernünftiger Mensch bestreiten wollen: Im Turbotempo verschwinden Freiräume, wird alles enger, teurer und vernutzter. Wer diese Klage für larmoyant hält und Kommerzialisierung für den Lauf der Welt, mag recht haben. Aber er begreift eines nicht: In Berlin vergeht gerade eine Atmosphäre, die jeder, der diese Stadt versteht, mit ihr verbindet. Und Atmosphäre ist insofern das richtige Wort, als dass diese Stadt genau dies braucht wie Atemluft, weil sie schon immer davon gelebt hat, dass die Dinge eben nicht ausverhandelt waren, dass sich Menschen ausprobieren konnten, dass Raum da war, der sich frei anfühlte. Theater könnte sich mit solchen Themen beschäftigen, Politik muss es tun. In der Volksbühne hat nichts von beidem stattgefunden. Wirklich bleiben wird nur der Eindruck einer bitteren Konkurrenz um kulturelle Hegemonie.