Aus dem Hohenecker Klosterpark müssen rund 70 Eschen abtransportiert werden. Weil das Gelände so steil ist, geht das nur mit besonderer Hilfe.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Dass in Hoheneck etwas Besonderes im Gange ist, ist schon von Weitem am „Schrabb-schrabb-schrabb“ zu hören, das durch die Luft dröhnt. Je näher man der Klosteranlage kommt, desto Schlimmeres ahnt man: Das Dröhnen kommt von einem Helikopter, der mit seiner orangen und blauen Beschriftung aussieht wie ein Rettungshubschrauber. Ohne Unterlass fliegt er über dem Klosterpark hin und her.

 

Patienten aus Holz

Tatsächlich handelt es sich um einen Rettungseinsatz. Doch die, wenn man so will, Patienten, sind aus Holz. Und streng genommen kommt für sie ohnehin jede Hilfe zu spät. Den rund 70 Bäumen, die an diesem Mittwoch und Donnerstag aus dem Klosterpark ausgeflogen werden, hat ein Pilz, das Weiße Stengelbecherchen, zugesetzt und sie so geschwächt, dass sie nicht mehr stand- und bruchsicher waren, wie der Fachmann sagt.

Der Fachmann heißt Marcel Hoch und ist Forstwirt. Er hat von der Klosterverwaltung den Auftrag bekommen, ihren Wald wieder sicher zu machen. Nicht, dass ein morscher Baum einen Spaziergänger trifft. Bei seiner Begutachtung hat Marcel Hoch nicht nur festgestellt, dass die Bäume – überwiegend Eschen – vom Weißen Stengelbecherchen befallen sind. Der 27-Jährige hat auch gesehen, dass das Gelände, auf dem Bäume teils schon seit 100 Jahren stehen, extrem steil ist und extrem verbaut.

Eine extreme Methode im extremen Gelände

Am unteren Ende stehen die Häuser der Hohenecker, am oberen Ende umringt die Klostermauer das Gelände. Der Aufbau eines riesigen Autokrans schied deshalb aus. Auch der Einsatz einer motorischen Forstraupe kam nicht in Betracht. Um die Bäume damit aus dem Wald ziehen zu können, hätten sie gefällt werden müssen. Doch womöglich hätten sie bei ihrem Fall mit ihrer ausladenden Krone gesunde Bäume gefährdet? Letztlich, erklärt der Forstwirt Hoch, blieb für den Einsatz in dem extremen Gelände nur eine extreme Methode: der sogenannte Stehendbaumabtrag.

In der Theorie klingt das Verfahren einfach: Der Hubschrauber fliegt zu einem kranken Baum, in dem ein Kletterer hängt und den Piloten über Funk dirigiert. An der perfekten Stelle angekommen, lässt der Pilot am Seil eine Klinke hinab. In diese hängt der Kletterer eine Schlinge, die er dem Baum umgelegt hat. Sind Schlinge und Klinke fest verbunden, sägt der Kletterer ein Stück Baum ab, das umgehend in die Luft geht und auf dem eingerichteten Lagerplatz abgesetzt wird. Der Boden nimmt keinen Schaden, die gesunden Bäume sind nicht in Gefahr, und relativ schnell geht es auch. „Das ist toll“, frohlockt Hoch – und seinen Angaben zufolge auch relativ günstig. Konkrete Zahlen nennt der Fachmann nicht. Nur so viel: Der zweitägige Einsatz, an dem knapp 20 Personen beteiligt sind, kostet weniger als 50 000 Euro.

Alles läuft wie am Schnürchen

In der Praxis hingegen, man ahnt es, ist der Stehendbaumabtrag alles andere als einfach. Der Pilot muss wissen, wie viele Meter er nach rechts oder links fliegen muss, um unten zentimetergenau am Baum zu sein. Wie sonst könnte er an der perfekten Stelle stoppen? Der Pilot muss seinen Hubschrauber in der Luft quasi zum Stehen bringen. Wie sonst könnte der Baum sicher an den Haken kommen? Der Kletterer wiederum muss an dem Stamm sägen, an dem er hängt. In bis zu zehn Einzelstücke zerlegt er eine einzelne Esche. Der Kletterer muss ahnen, wie schwer das Stück Baum ist, das er an den Heli hängt. Maximal 1,4 Tonnen kann er tragen. Weniger ist trotzdem besser, weil der Hubschrauber dann nicht so viel Kerosin verbraucht, nicht so oft betankt werden muss und dadurch weniger Zeit verliert. Und der Kletterer muss es aushalten, wenn der Abwind der Rotoren die Bäume um ihn herum zum Schwingen bringt. Das Team, das in Hoheneck im Einsatz ist, kommt von der österreichischen Firma Wucher, die mit Hubschraubern alles macht, was man mit ihnen machen kann: Rundflüge, Heliskiing-Flüge, Rettungsflüge und eben Lastenflüge wie in Hoheneck, wo an diesem Tag alles wie am Schnürchen läuft.

Ein Brettchen zur Erinnerung

Diesen Donnerstag geht der Heli erneut in die Luft. Und natürlich machen sich die Hohenecker so wenig Sorgen wie tags zuvor: Sie sind Tage vorher über den Einsatz informiert worden. Das Holz aus dem Park verkauft Marcel Hoch gegen einen geringen Obolus übrigens an Ort und Stelle. Er selbst sichert sich auch einen Teil und wird daraus Vesperbrettchen und vielleicht einen Tisch zaubern. Zur Erinnerung.