Kinder mit Downsyndrom können nicht rechnen? – Von wegen! Eine Mutter entdeckt Hilfe für ihr Kind. Nun will sie auch andere Eltern informieren.

Ludwigsburg - Lange dachte Sonja Schwarz, ihre Tochter Mara-Sophie könne niemals rechnen lernen. Nie lernen, wie man eins und eins zusammenzählt; nie lernen, wie viel Geld man dem Eisverkäufer geben muss, oder wie viele Äpfel man gerade in der Hand hält. Die heute 13 Jahre alte Mara ist mit dem Gendefekt Trisomie 21, auch bekannt unter dem Begriff Downsyndrom, auf die Welt gekommen. Mara gehört somit zu den Menschen, denen man lange die Fähigkeit abgesprochen hat, jemals eine Rechenkompetenz zu erwerben.

 

In Österreich macht die Mutter eine Entdeckung

Eine Methode aus Österreich jedoch zeigt, dass Menschen mit dem Gendefekt durchaus in der Lage sind, rechnen zu lernen. „Eine Logopädin hat mir von diesem zweitägigen Seminar erzählt, und das Gelernte konnte ich anschließend so gut bei Mara anwenden, dass sie sich nun sicher im Zahlenraum bis 100 bewegt,“ sagt Sonja Schwarz. Mara lernte fortan nicht nur mit ihrer Mutter, wie man addiert und subtrahiert, sondern wird auch in der Hanfbachschule in Möglingen, wo sie eine Kooperationsklasse besucht, entsprechend von den Lehrern betreut. „Die Lehrer dort waren von Anfang an sehr positiv eingestellt“, sagt die Schwieberdingerin.

Nun möchte sie auch anderen betroffenen Eltern die Möglichkeit geben, die Methode bei ihren Kindern anzuwenden. Auf ihre Initiative hin kommt am Wochenende die Erziehungswissenschaftlerin Waltraud Juranek aus Innsbruck nach Ludwigsburg, um an zwei Tagen die 30 angemeldeten Eltern und Lehrer in der sogenannten „Yes, we can-“Methode zu schulen.

Das Kultusministerium weiß von nichts

Entwickelt wurde die Methode in den Jahren 2010/2011 als EU-weites Projekt am Downsyndromzentrum im österreichischen Leoben. Beteiligt waren Lehrer, Mathematikprofessoren, Selbsthilfegruppen und Mitarbeiter einer Erwachsenenbildungsstätte. Sie fußt auf verschiedenen didaktischen Ansätzen. „Es geht los mit der Körperwahrnehmung, dann weiter über die Raumwahrnehmung bis hin zur Fähigkeit, abstrakte Zahlen zu begreifen“, erklärt Waltraud Juranek. Als Basisinstrument dienen die Hände, die mit dem Handrücken nach oben auf den Tisch gelegt werden. Zwei geschlossene Fäuste stehen für die Null. Der linke, kleine Finger steht für die Zahl 1, der linke Ringfinger für die 2, der linke Mittelfinger die 3 und so weiter. Bei der rechten Hand geht es weiter mit dem Daumen, der die Zahl 6 repräsentiert. „Kinder und Jugendliche, die so die Grundrechenarten erlernen, entwickeln ein gutes Verständnis für mathematische Denkvorgänge und machen erstaunliche Fortschritte“, sagt Waltraud Juranek. Dies gelte im Übrigen nicht nur für Kinder mit dem Downsyndrom, sondern auch für Kinder, die generell eine Rechenschwäche oder Probleme mit Zahlen haben. In Österreich und in der Schweiz werde diese Lernmethode schon lange auch an Volksschulklassen praktiziert, weiß die Pädagogin.

Dem baden-württembergischen Kultusministerium ist jene Methode nach eigenen Angaben noch nicht bekannt. „Wir begrüßen es aber, wenn Eltern positive Erfahrungen mit bestimmten Methoden gemacht haben und diese im Sinne einer Erziehungspartnerschaft auch weitergeben und sich engagieren“, sagte eine Ministeriumssprecherin.

Kontakt
Mehr Infos können via Mail an sonjaschwarz77@gmx.de angefordert werden.