Der evangelische Pfarrer und vier Mitglieder einer ortsansässigen Familie spielen jeden Abend hoch über Endersbach für die Gemeinde. Die ist dankbar und froh darüber und steht in Distanz zusammen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Weinstadt - Der Mond ist aufgegangen . . .“ – Matthias Claudius’ Klassiker mit dem tröstlichen Text ist in Zeiten der Corona-Pandemie für viele Menschen zu einem Symbol für Zusammengehörigkeit und Zuversicht avanciert. In Weinstadt-Endersbach wird das Lied seit einiger Zeit jeden Abend um punkt 19 Uhr auf einer ganz besonderen Plattform präsentiert: Auf dem höchsten Punkt der wegen Renovierungsarbeiten eingerüsteten evangelischen Kirche erklingt eine Trompete, begleitet von vier Posaunen.

 

„Wir haben zurzeit die einmalige Gelegenheit, bis auf die oberste Spitze der Kirche zu gelangen“, sagt der geschäftsführende Pfarrer der Kirchengemeinde, Michael Schneider. Dieser Umstand und der Aufruf der Landeskirche, ein wiederkehrendes Zeichen der Solidarität und des Innehaltens zu setzen, hat Schneider zu jenem Ritual angeregt, das nun seit Tagen allabendlich zur selben Zeit im Ort zu hören ist.

Eine Familie begleitet mit Posaunen

Seine Trompete sei zugegebenermaßen schon ein wenig eingestaubt gewesen, sagt der Gottesmann, der instrumententechnisch eigentlich aufs Schlagzeug umgestiegen ist. Aber mittlerweile habe er sich schon wieder eingespielt. Zumal er das Repertoire um jeweils ein bis zwei Choräle erweitert hat und dabei nun von vier Mitgliedern der Familie Hekeler – Vater, Mutter und zwei Kinder – auf weiteren Blechblasinstrumenten begleitet wird.

Der Erfolg gibt dem Quintett, das auch auf dem Gerüst dem Kontaktverbot entsprechend Abstand hält, mehr als Recht. „Die Leute warten abends schon darauf, stehen an Straßenkreuzungen, auf dem Balkon oder im Garten und spenden Applaus“, sagt der Pfarrer. Und während er am Telefon davon berichtet, klingelt es bei ihm an der Türe. Nach kurzem Nachschauen erzählt er von seinem Fund: Eine Flasche Wein mit einer Karte. Darauf steht: „Vielen Dank für die tägliche Musik.“

Die Gemeinde steht in Distanz zusammen

Auch für ihn seien die abendlichen Kurzkonzerte Trost spendende Erlebnisse, sagt der Pfarrer, der nach einem Gastspiel in Göppingen seit zweieinhalb Jahren zurück im Remstal ist. „Man sieht die Verbundenheit der Leute, sie stehen auch in Distanz zusammen.“ Zu den digitalen Angeboten, welche die Kirche in kürzester Zeit aus dem Ärmel geschüttelt habe, sei dies eine wunderschöne analoge Aktion, an der die Gemeinde auch in Corona-Zeiten ohne gesundheitliche Bedenken teilhaben könne.

Eine Aktion, die zudem noch eine schöne Randgeschichte hat: Aufmerksam darauf hat uns der Waiblinger Fotograf und Filmer Gianluca Mauro gemacht. Weil das Coronavirus auch die Auftragslage von dessen Videoproduktionsfirma Koalafilmz erfasst hat, sprach dieser bei dem Berater seiner Hausbank vor. Welche Konditionen dabei herausgehandelt werden konnten, ist nicht bekannt. Allerdings: Der Berater, Uli Schwegler, ist ein aktives Mitglied der Enderbacher Kirchengemeinde. Und als solches, beziehungsweise als Privatmann erteilte er Mauro den Auftrag, das abendliche Szenario hoch über Endersbach bildlich einzufangen – was dieser mittels einer Drohne getan hat und so nun auch digital zu bewundern ist.