Er hasst das Wort Vegetarier. Der Sternekoch Michael Hoffmann will einfach so kochen, dass er es ehrlich und verantwortbar findet. Große Kochkunst ist es dennoch. Die StZ-Reporterin Katja Bauer hat ihn in seinem Garten besucht.

Berlin - So ein Kürbis im Garten von Michael Hoffmann, der hat was vor sich. Ihm kann eigentlich alles passieren. Er wird gekocht, frittiert, gebraten oder geschmort, mariniert, vakuumiert, gegart – und manchmal wird auch so lang gekokelt, bis aus einem Gemüse Asche geworden ist. Was immer mit dem Kürbis passiert, schreibt Hoffmann in sein Küchentagebuch – Sorte, Form, Zubereitungsart, Temperatur, Zeit: Kürbisversuchsreihen. Hoffmann baut in seiner Küche Geschmacksbomben.

 

Das klingt, als sei der Mann ein bisschen manisch in dem, was er tut. Und genau so ist es. Anders kann man wohl sowieso kein Sternekoch werden. Michael Hoffmann aber hält diese Auszeichnung nicht nur seit 13 Jahren. Er hat auch irgendwann beschlossen, alles anders zu machen.

Plötzlich hat es ihn geekelt

Der Tag, an dem das passierte, war eigentlich ein ganz normaler. „Ich stand eines morgens in meiner Küche und habe mich gefragt, was ich hier eigentlich tue.“ Das war Anfang der Nullerjahre, das Land lernte gerade, was Rinderwahnsinn ist und was Schweinepest und Gammelfleisch. Und es hätte dabei auch lernen können, dass die Menschen nicht einfach so weitermachen dürfen mit dem, was Nahrungsmittelindustrie heißt und früher mal Essen und Trinken war.

Hoffmann jedenfalls stand in der Küche seines sehr feinen Restaurants Margaux gleich links hinterm Brandenburger Tor und machte, was er immer machte: seine Fleischgänge vorbereiten. „Ich habe mich auf einmal geekelt.“ Der Koch beschloss, dass hier einiges anders werden muss. Dass das, was er da aus den feinsten und besten Zutaten jeden Abend schuf und präsentierte, nicht mehr das ist, was er eigentlich möchte. Ein Jahr lang bot er seinen Gästen einfach kein Fleisch an. Er wusste noch nicht so genau, wohin ihn diese Reise führen würde. Er redete erst mal nicht groß drüber. Und wie sich herausstellte, war das auch nicht nötig. „Es hat in dieser ganzen Zeit kein Mensch nach Fleisch gefragt“, sagt Hoffmann heute.

Lieber bei Oma in der Küche als auf dem Bolzplatz

Zu diesem Zeitpunkt hatte Michael Hoffmann mehr als 20 Jahre Küchenerfahrung, die meisten davon in der Spitzengastronomie. Das war am Anfang gar nicht sein erwähltes Ziel. „Ich wollte einfach nur kochen.“ Schon als kleiner Junge stand er lieber bei seiner Oma in der Küche als auf dem Fußballplatz, und als er seine Lehre in einem kleinen Betrieb in Hessen anfing, da wusste er nicht mal, dass es so was wie den Guide Michelin überhaupt gibt. Irgendwann aber wusste er es doch. Vier, fünf Mal bewarb er sich beim Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann, bis der ihn dann engagierte. Hoffmann kochte und kochte, er arbeitete bei Lothar Eiermann, und irgendwann stand er als Küchenchef im Vier Jahreszeiten in Hamburg, die Haare mit einem Seidentuch von Hermes gebändigt.

Jetzt, einige Jahre später, steht Hoffmann an einem Samstag in seinem Gewächshaus, groß, geflickte Jeans, schwere Lederschuhe, Schweiß auf der Stirn, das halb lange Haar ringelt sich im Nacken. Im vierten Jahr bewirtschaftet er diesen Garten südwestlich von Potsdam, ein Riesenberg Arbeit. Andere machen TV-Shows, Hoffmann wühlt in der Erde. „Es macht mich froh, ich habe Kontakt zur Natur, zu den Pflanzen, und ich habe das Glück der Ernte“, sagt Hoffmann. Es ist ein grobes, wenig romantisches Stück Land am Ende einer ostdeutschen Betonplattenpiste. Die Nachbarin mäht Rasen und schaut grimmig, schon wieder dieser Verrückte, der die Grundstücksgrenze nicht ordentlich stutzt. Hoffmanns Anlage ist alt, er hat sie von dem Gärtner übernommen, der ihm früher Gemüse verkaufte.

Duwicker Möhren und acht Sorten Tomaten

Aber heute wachsen andere Pflanzen hier: Roter Stern, ein am Strunk wachsender Salat mit lanzenartigen Blättern. Roter Hibiskus, der als Gemüse serviert wird oder getrocknet mit Salz vermischt. Erdmandeln in Kübeln, kleine, süße Duwicker Möhren. Mexikanische Zwerggurken, Bronzefenchel, Topinambur, acht Sorten Tomaten, Knollensellerie. 200 Sorten waren es zeitweise, alte, fast ausgestorbene, inzwischen ist der Gartenplan ein bisschen abgespeckt. Hoffmann ist nicht mehr jeden Tag hier, aber einer der zehn Menschen, die in seiner Küche arbeiten, kommt immer und bringt tagesfrische Ernte von hier in Berlins schnieke Mitte.

Im Margaux gibt es keines der Statussymbole der obersten Küchenkaste mehr: Stopfleber, Hummer, Garnelen sind von der Karte verbannt, genau so junge Tiere wie Milchlamm, Kalb, Zicklein. Thunfisch und Steinbutt werden nicht verarbeitet, was aus dem Wasser kommt, wurde geangelt. Geflügel kommt von einem Züchter in Bresse, den der Küchenchef gut kennt. Es gibt auf dieser Basis ein Menü und dann gibt es auch ein „Gemüsemenü“. Gut ein Drittel der Gäste kommt deshalb. Hoffmann ist kein Vegetarier, er hasst das Wort sowieso. Er wollte einfach so kochen, dass er es ehrlich und verantwortbar fand. Und aus dieser Überzeugung entwickelte er seine Kochkunst weiter. Zurück zu den Wurzeln könnte man sagen. Der Respekt vor Pflanzen und Tieren, so glaubt Michael Hoffmann, bedeute auch, dass eine Speise nach dem schmeckt, was sie ist. Man muss es nur aus ihr rauskitzeln.

Im Gewächshaus brennt die Sonne durch die Scheiben, drinnen steht die Luft. Hoffmann schnauft kein bisschen, Köche sind ja Hitze gewöhnt. Und die Auberginen, die da in einer Reihe wachsen, freuen sich über die mediterranen Temperaturen. Wenn Hoffmann mit ihnen fertig ist, dann sind sie geerntet, ihre Haut mit Zahnstochern durchlöchert, für drei Wochen in einem Sud aus Wasser, Essig, Salz und Gewürzen gebadet, jeden Tag auf genau 80 Grad erhitzt und anschließend vakuumiert worden. Was auf dem Teller landet, ist reines Aromenglück.

Kochen und Essen

Kochshows im Fernsehen sind nichts für ihn, dafür aber hat der Spitzenkoch zwei Kochbücher geschrieben. Michael Hoffmann: „Trust in Taste. Kochbuch für Blinde und Sehende.“ 264 Seiten, 2 Bände im Schuber mit Audio-CD. Alle Inhalte in Schwarzschrift und in Blindenkurzschrift, alle Seiten zellophaniert und abwaschbar. Justina Verlag, München. 125 Euro. Michael Hoffmann: „Kräuter.“ Tre Torri Verlag, Wiesbaden. 256 Seiten, 49,90 Euro. Restaurant Margaux Berlin. Unter den Linden 78, Eingang Wilhelmstraße, 10117 Berlin. Küche geöffnet: dienstags bis samstags von 19 bis 21.30 Uhr.