Besser Leben mit Wellness? Beim krampfhaften Entspannen kann man – ohne es wirklich zu wollen – richtig ins Grübeln geraten, hat unser Kolumnist Matthias Ring festgestellt.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart – Haben oder Sein – Erich Fromm hat sein wichtiges Werk nicht mal mit einem rhetorischen Fragezeichen versehen, weil natürlich gilt: nichts haben, sondern alles sein. Einmal die Woche versuche ich also tapfer bloß zu sein und an nichts zu denken, wo man doch sonst an alles denken muss. Am besten sollte das in der Sauna gehen, weil die grauen Zellen ab 90 Grad im Schatten schön träge werden.

 

Aber denkste: Im Wellness-Bereich eines öffentlichen Bads ist meist so viel Sein, dass selbst mir das Nicht-Denken schwerfällt. Weil die Sauna schon zehn Minuten vor dem Aufguss voll ist, muss man viel zu früh rein und sich nichts dabei denken, wenn das Herz immer schneller schlägt. Kommt noch eine junge Frau dazu, machen fleischgewordene Altherrenwitze etwas Platz mit: „Heißt ja sau-nah!“ Gelacht und nichts gedacht. Auch nicht beim Handtuchimitat des Nebenmanns, auf das zwar eine ganze Mäusefamilie, aber nur ein halber Mensch passt, derweil der Blick auf den Apostroph in „Kein Schweiß auf’s Holz“ schmerzt.

Eine eigene Saune im Haus – das wär’s!

Wieder draußen, sind alle Handtücher groß genug, um die Liegen unter dem „Bitte nicht reservieren“-Schild zu bedecken, wie es die Leute auf Mallorca gelernt haben. Aber wozu sich Gedanken machen, sagt der untätige Bademeister doch: „Das Bad ist eben ein Spiegelbild der Gesellschaft.“ Notfalls legt man mal was beiseite – und bekommt gleich Schläge angedroht, nur weil die zurückgekehrte Dame den Ausdruck „asoziales Verhalten“ in den falschen Hals bekommen hat. Außerdem ist Zeit für den nächsten Aufguss, an den nicht zu denken ist, weil zehn Minuten vorher eh schon wieder alle Plätze besetzt sind . . .

So kann das gehen, stundenlang und ganz gedankenlos. Und so träume ich weiter davon, eines Tages eine eigene Sauna im Haus zu haben. Denn sorry, Erich – auf dem Weg zu einem besseren Leben kann es auch heißen: erst Haben, dann Sein.