Das Bundesverkehrsministerium ebnet den Weg für den nachträglichen Einbau von Abgasreinigungssystemen. Die Autoindustrie bleibt skeptisch. Abgasspezialisten zeigen sich insgesamt zufrieden mit den neuen Vorschriften.

Stuttgart - Im Kampf gegen Fahrverbote für Dieselbesitzer hat das Bundesverkehrsministerium kurz vor Jahresende die technischen Vorschriften für Hardware-Nachrüstungen vorgelegt. „Jetzt ist die Nachrüstindustrie am Zug, wirksame Systeme zu entwickeln“, erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Das Verkehrsministerium schrieb in einem 30-seitigen Papier die technischen Anforderungen für die Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) fest, die für die Zulassung der Hardware-Bausätze durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nötig sind.

 

Bei der Umrüstung zur Reduzierung des Stickoxidausstoßes von Diesel-Fahrzeugen werden sogenannte SCR-Katalysatoren eingebaut, die mit Harnstofflösung arbeiten. Die Nachrüstsätze müssen vom Kraftfahrtbundesamt genehmigt werden. Scheuer erklärte, mit den Systemen müssten „alle Grenzwerte und Vorschriften eingehalten werden“. Wenn dann die Genehmigung durch das KBA erteilt werde, sollten die Systeme „zeitnah“ auf dem Markt angeboten werden können.

Branchenverband VDA warnt vor Problemen

Deutschlands Autobauer stehen den Hardware-Nachrüstungen aber höchst skeptisch gegenüber. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) warnte, Besitzer älterer Diesel könnten bei technischen Problemen nach einer Nachrüstung nicht mit Unterstützung der deutschen Hersteller rechnen. „Wir können keine Garantie für ein Fahrzeug übernehmen, in das nachträglich Abgasreinigungssysteme Dritter eingebaut wurden“, sagte Verbandspräsident Bernhard Mattes der Zeitung „Die Welt“. „Wenn ein Kunde sein Fahrzeug umbauen lässt, dann tragen er und der Nachrüster auch die Verantwortung für mögliche Folgeschäden.“

VW riet den Kunden ausdrücklich von einer Hardware-Nachrüstung ab. „Alle uns bisher bekannten Konzepte weisen Nachteile für unsere Kunden auf, etwa Mehrverbrauch und damit erhöhte CO2-Emissionen, zum Teil auch Leistungsreduzierung“, erklärte VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch. Auch sei die dauerhafte Funktionssicherheit der Technik aus Sicht von Volkswagen nicht zu gewährleisten.

Abgasspezialisten zeigen sich insgesamt zufrieden

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) appellierte an die Hersteller, eine Hardware-Nachrüstung nicht zu blockieren. „Es kann nicht sein, dass die Unternehmen, die den Abgasskandal verursacht haben, eine Lösung für Menschen mit kleinem Geldbeutel blockieren, weil sie darauf keine Lust haben“, sagte VZBV-Mobilitätsexpertin Marion Jungbluth dem „Handelsblatt“. Damit den Verbrauchern nicht mittel- und langfristig ein Schaden entstehe, müsse für die Nachrüstung die Gewährleistung ausgeweitet werden, sagte Jungbluth. Nötig sei eine „klare Regelung“ zwischen Autoherstellern und Anbietern von Nachrüstsystemen, wer für welche Schäden am Fahrzeuge die Haftung übernehme.

Etliche mittelständische Abgasspezialisten stehen schon in den Startlöchern, um Nachrüstsysteme auf den Markt zu bringen. Marcus Hausser, Vorstandschef der Baumot-Gruppe in Königswinter, zeigte sich mit den jetzt veröffentlichten Vorgaben zufrieden. „Die technischen Vorschriften für die Hardware-Nachrüstung sind wie erwartet. Die Anforderungen an die Systeme liegen im Rahmen des technisch Möglichen“, sagte Hausser. Das Unternehmen verfüge heute bereits über eine serienreife Lösung, mit der mehr als 90 Prozent der Stickoxidemissionen auch unter realen Bedingungen reduziert werden könnten.

„Auf dieser Basis werden wir nun im neuen Jahr an der konkreten Umsetzung weiterarbeiten“, sagte Hausser. Bei einem normalen Zulassungsprozess rechnet das Unternehmen damit, „sehr zeitig“ im nächsten Jahr die ersten Systeme der Serie ausliefern zu können.

„Wir können insgesamt gut mit der Richtlinie leben“, sagte der Bamberger Nachrüster Martin Pley, der nun damit rechnet, im nächsten Mai oder Juni die ersten Systeme ausliefern zu können. Pley will mit Volvo starten, dann sollen mehrere Modelle von Mercedes-Benz folgen. Hubert Mangold, Geschäftsführer des Katalysatorenherstellers Oberland-Mangold im bayerischen Eschenlohe, begrüßte, dass es nun endlich Klarheit gebe und nannte die Vorgaben sehr ambitioniert, aber erfüllbar. Nach den neuen Vorschriften müssen die Hersteller zum Beispiel bestätigen, dass die Funktionsfähigkeit des Nachrüstsystems über eine Leistung von 100 000 Kilometer oder über eine Lebensdauer von fünf Jahren gewährleistet ist.