Wenn Zweifel am natürlichen Tod bestehen, wird ein Vertragsbestatter gerufen. Dessen Dienste werden Angehörigen in Rechnung gestellt, was Irritationen und zusätzliche Bestattungskosten auslöst.

Stuttgart - Ein Todesfall in der Familie ist mit großen finanziellen Folgen verbunden. Ein Todesfall, bei dem der Arzt einen natürlichen Tod nicht sicher feststellen kann, führt in Stuttgart zu einer zusätzlichen Rechnung in Höhe von 560 Euro. So viel verlangt der Bestatter für die polizeilich angeordnete sogenannte Notabholung.

 

Polizei ruft Vertragsbestatter

Der Stuttgarterin Monika S. ist es so ergangen. „Unsere über 92-jährige, kranke Mutter ist in ihren letzten Lebensminuten vom Klo vorneüber gefallen und hat sich dabei eine Beule und einen kleinen Riss am Kopf zugezogen. Wir haben sie ins Bett getragen, wo dann kurze Zeit später ihr Puls zu schlagen aufgehört hat. Der einige Stunden später anwesende Arzt attestierte einen unklaren Tod, und deshalb wurde routinemäßig die Kriminalpolizei eingeschaltet. Diese kam noch in der Nacht, um unsere Mutter zu beschlagnahmen.“

Die Polizei ruft in einem solchen Fall einen Vertragsbestatter, der den Leichnam für die weiteren behördlichen Untersuchungen zum Pragfriedhof bringt. Die Rechnung dafür ging an Monika S.: 560 Euro muss sie dafür bezahlen. Das hat die Hinterbliebene veranlasst, dem Bestatter zu schreiben: „Wie kommt es, dass wir eine Rechnung bekommen für eine Leistung, die wir gar nicht in Auftrag gegeben haben? Wäre nicht die Polizeidirektion oder die Stadt Stuttgart die richtige Ansprechpartnerin?“

Wer zahlen muss, ist strittig

Christoph Keldenich teilt ihre Rechtsauffassung: „Wenn die Polizei einen Bestatter beauftragt, ist das ja Bestandteil einer Strafverfolgung, die man Hinterbliebenen eigentlich nicht in Rechnung stellen kann“, sagt der Vorsitzende der Verbraucherinitiative Bestattungskultur und verweist auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts von Berlin-Brandenburg. Demnach dürften Angehörigen nur Kosten in Rechnung gestellt werden, die ihnen erspart worden sind, beispielsweise der Transport zur Leichenhalle. Die Bestattung von Monika S.’ Mutter sollte aber nicht auf dem Pragfriedhof stattfinden.

Steffen Köster, Fachanwalt für Erbrecht, verweist auf das Bürgerliche Gesetzbuch: „Der Erbe muss die Bestattungskosten zahlen, also alle Kosten, die im Rahmen eines Todesfalls notwendig anfallen, zum Beispiel durch bestimmte Bestattungsvorschriften. Wenn eine Notabholung notwendig ist, gehören auch die dadurch verursachten Kosten zu den Bestattungskosten.“

Vertrag ist neu ausgeschrieben

Dieses Prozedere ist deshalb Bestandteil der städtischen Ausschreibung. Zurzeit ist die Notabholung für die Dauer von zwei Jahren neu ausgeschrieben, bis zum vergangenen Freitag konnten Angebote eingereicht werden. Laut dem Amt für öffentliche Ordnung soll der Zuschlag Mitte Januar erteilt werden. Teilnehmen könne jeder interessierte Unternehmer, über die Zahl der Bewerber und Details will sich das Amt wegen der laufenden Ausschreibung nicht äußern.

Der günstigste Bieter erhält den Zuschlag

Die Ansprüche an die Bestatter sind hoch. Innerhalb der Vertragslaufzeit, so heißt es im Ausschreibungstext, sei im Stadtgebiet mit geschätzt 640 Einsätzen zu rechnen, der Bewerber muss über „geschultes Personal und eine durchgängige telefonische Erreichbarkeit von Montag bis Sonntag, 24 Stunden am Tag“ verfügen, eine Vertretung benennen können und innerhalb von 60 Minuten am Einsatzort sein. Einziges Kriterium für die Wertung der eingehenden Angebote ist der Preis. Der günstigste Bieter erhält den Zuschlag.

Bestatter verweist auf hohe Kosten

Derzeit ist das Institut Walter Kölle der Auftragnehmer. Es liegt mit einem Einzelpreis von 560 Euro nach eigenem Bekunden an der Untergrenze. „Zwei unserer Mitarbeiter müssen immer in Bereitschaft sein, rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, wir müssen den Fuhrpark bereitstellen, jeder Einsatz dauert mindestens zwei, drei Stunden, und dem Personal wird einiges zugemutet“, sagt Geschäftsführer Uwe Hetterich und verweist auf Suizide, unentdeckt gebliebene Tote und Verkehrsopfer. Ein Kollege im Umland nehme für Notabholungen „fast 1000 Euro“.

Andere Preise, andere Verfahren im Umland

Es geht aber auch anders. „Im Landkreis Freudenstadt und in Horb wechseln sich Bestatter im Turnus wöchentlich ab“, sagt Landesinnungsmeister Frank Friedrichson. Auch der Stuttgarter Bestatter Helmut Ramsaier teilt sein Einsatzgebiet auf den Fildern mit Kollegen: „Bei uns wechseln sich sechs Unternehmen ab.“ Dort müssten die Angehörigen 355 Euro bezahlen. Er plädiert für „mehr Regionalität“ bei den Notabholungen, was aber voraussetzen würde, dass sich mehrere Bewerber für Stuttgart finden.

Verbandschef beklagt mangelnde Transparenz

Ramsaier ist Gründer und Vorsitzender des Verbands kontrollierter Bestattungsunternehmen in Stuttgart und für faire Preispolitik und Kostentransparenz. „Bestattungskultur“, sagt er, „muss mehr die vom Verlust betroffenen Menschen in den Blick nehmen“. Das „rechtliche Dunkelfeld“ bei der Rechnungsstellung sei dabei nicht hilfreich. Und auch der Bestatter trage ein Risiko: Er bekäme vom Amt für öffentliche Ordnung nur 165 statt 560 Euro bezahlt, wenn kein Hinterbliebener für die Begleichung der Rechnung geradestehen könne. Eine öffentliche Erörterung des Themas wäre im Sinne von Monika S. „Ich wünsche mir einen breiten gesellschaftlichen Diskurs“, schrieb sie an die Stadt.